Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
A. Stille Gesellschaft
I. Allgemeines
Rz. 1
Obwohl die Geschichte der stillen Gesellschaft bis ins Mittelalter zurückreicht, ist die stille Gesellschaft kein Relikt aus vergangenen Tagen, sondern hat gerade in den letzten Jahren im Hinblick auf die Fortentwicklung der Unternehmensfinanzierung und Unternehmensbeteiligungen einen neuen Boom erlebt. Die weitgehende Freiheit bei ihrer Gestaltung macht die stille Gesellschaft sowohl aus zivilrechtlicher wie aus steuerrechtlicher Sicht zu einem interessanten und vielseitigen Gestaltungsinstrument.
II. Überlegungen zur Rechtsformwahl
Rz. 2
Der Gesetzgeber hat dem Wirtschaftsleben eine Vielzahl von Gesellschaftstypen und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, aus denen im Einzelfall nach handels- und zivilrechtlichen, betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Gesichtspunkten der passende Typus ausgewählt werden kann. Welche Gesichtspunkte ausschlaggebend sind, muss für jeden Einzelfall gesondert entschieden werden. Mag in einem Fall die Frage der Haftung oder der Kapitalaufbringung ausschlaggebend sein, können ein anderes Mal Kontroll- und Informationsrechte des Gesellschafters oder die steuerliche Ausgestaltung der Unternehmensnachfolge im Vordergrund stehen. In der Beratungspraxis sind deshalb der gesamte Sachverhalt ebenso wie mögliche Gestaltungsfolgen im Einzelfall zu betrachten, um die jeweils vorteilhafteste rechtliche Handlungsform auszuwählen.
1. Zivilrechtliche Überlegungen
Rz. 3
Zivilrechtlich gibt es zahlreiche Gestaltungsüberlegungen, die einen Anwendungsbereich für die stille Gesellschaft eröffnen.
Rz. 4
Ausgangspunkt ist zunächst der Begriff "stille Gesellschaft", der auf das wesentliche Motiv der Geheimhaltung hindeutet. Sowohl aufseiten des stillen Gesellschafters als auch aufseiten des Geschäftsinhabers kann ein Interesse daran bestehen, dass die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Handelsgeschäft nicht nach außen bekannt wird, bspw. um externen Finanzbedarf des Geschäftsinhabers zu verbergen. Bestimmten Personen kann auch wegen ihres Berufes oder ihrer gesellschaftlichen Stellung das Betreiben eines Handelsgewerbes verboten sein; eine atypische stille Gesellschaft bietet dann die Möglichkeit, den Geschäftsinhaber nur als Strohmann einzusetzen und sich weitgehende Leitungsbefugnisse und die wirtschaftliche Inhaberschaft vorzubehalten. In anderen Fällen, bspw. bei Apotheken, ist eine Beteiligung von Mitgesellschaftern im Wege einer Außengesellschaft auch gesetzlich unzulässig.
Rz. 5
Die stille Gesellschaft bietet weiter den Vorteil, dass einerseits der stille Gesellschafter tatsächlich Gesellschafter und nicht bloß Gläubiger ist, andererseits aber die Gesellschafterstellung sowie alle daran anknüpfenden Rechte und Pflichten weitgehend frei ausgestaltet werden können. Dies ist gerade bei Unternehmensbeteiligungen ein wichtiges Kriterium. Je nach Interessenschwerpunkt lassen sich durch die stille Gesellschaft Kapitalbeteiligungen mit mehr oder weniger starken Mitwirkungs- und Kontrollrechten für die Investoren konstruieren. Die Investoren erhalten dabei regelmäßig eine höhere Verzinsung ihres Kapitals als bei vielen klassischen Anlagetypen, gleichzeitig kann eine stille Beteiligung mit angemessenen Kontroll-, Mitwirkungs- und Auflösungsrechten aber eine verhältnismäßig gute Absicherung bieten.
Rz. 6
Da sich das Verlustrisiko auf das eingesetzte Kapital beschränken lässt, ist die stille Gesellschaft für den Gesellschafter auch eine Möglichkeit, sich aus der aktiven Geschäftstätigkeit zurückzuziehen, das Kapital bei angemessener Gewinnbeteiligung aber noch bei der Gesellschaft zu belassen. Anders als bei einer KG kann die stille Einlage auch leichter aus dem Handelsgeschäft wieder abgezogen werden (wegen Einlagenrückgewähr ohne Haftungsrisiko).
Rz. 7
Schließlich eröffnet eine Behandlung des durch die stille Beteiligung zugeführten Kapitals als Eigenkapital zusätzliche Finanzierungsspielräume. Staatliche Fördergelder werden deshalb häufig als stille Beteiligungen gewährt. Bei Kreditinstituten führt die Ausweitung der Eigenkapitalquote auch zu einer Ausweitung der Kreditvergabemöglichkeiten.
Rz. 8
Die stille Gesellschaft ist darüber hinaus vergleichsweise einfach zu handhaben, sie kann meist formlos begründet und übertragen werden, Beurkundungs- oder Anmeldungspflichten bestehen nur in Ausnahmefällen. Überhaupt enthält das Gesetz nur wenige zwingende Verfahrensvorschriften und eröffnet damit zahlreiche individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.
Rz. 9
Beliebt ist die stille Beteiligung auch als Familiengesellschaft und im Rahmen der Unternehmensnachfolge bzw. vorweggenommenen Erbfolge, insb. aufgrund der Trennung zwischen vermögensmäßiger Beteiligung und Geschäftsführung. Der Geschäftsinhaber kann seine Kinder oder Familienmitglieder bereits wirtschaftlich am Vermögen seines Geschäfts beteiligen, ohne die Leitung aufgeben oder übertragen zu müssen. Sollen nach dem Tod des Geschäftsinhaber...