Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 92
Von erheblicher wirtschaftlicher Relevanz sind darüber hinaus die Bestimmungen des Bodenschutzrechtes. Gegenstand der Bodenschutzrechtsbestimmungen sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene sind vor allem die Abwehr und die Sanierung schädlicher Bodenveränderungen. Gemeint ist in der Praxis in der Regel die sogenannte Altlastenproblematik, die sowohl in Bezug auf gewerblich genutzte Grundstücke als auch in Bezug auf Grünflächen besteht, die in früherer Zeit gewerblich genutzt worden sind. Der Bund hat 1999 durch eine umfassende Novellierung des Bodenschutzrechtes das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) eingeführt, auf dessen Grundlage auch nachfolgende landesrechtliche Bestimmungen erlassen wurden. Alle Bodenschutzbestimmungen folgen demselben Prinzip. Danach sind nicht nur die Grundstückseigentümer, sondern auch alle in Bezug auf die Nutzung von Grund und Boden Beteiligten verpflichtet, Bodenverunreinigungen zu verhindern (Vermeidungspflicht). Ferner sind drohende Bodenverunreinigungen abzuwehren (Abwehrpflicht). Ist es gleichwohl zu Bodenverunreinigungen gekommen, besteht die Sanierungspflicht (§ 4 Abs. 3 BBodSchG). Aus ihr resultieren die gravierendsten wirtschaftlichen Folgen, welche weit über den Rahmen hinausgehen, den man gemeinhin annimmt. Dies wiederum hat etwas damit zu tun, dass der Umfang des Sanierungspflichtigen im Bundesgesetz weit gefasst ist.
Rz. 93
Sanierungsverantwortlich sind danach
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der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast |
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der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers |
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der Grundstückseigentümer |
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der Derelinquent (einseitiger Verzicht auf das Eigentum) |
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der frühere Eigentümer bei Eigentumsübertragung nach dem 1.3.1999 |
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der Inhaber der tatsächlichen Gewalt |
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der Verantwortliche nach Handels- und Gesellschaftsrecht. |
Den Sanierungsverantwortlichen oder ihnen gemeinsam als Gesamtschuldner können Sanierungspflichten unmittelbar durch die zuständigen Landesbehörden auferlegt werden, die auf deren Kosten umzusetzen sind. Ist ein Sanierungsverantwortlicher nicht ausfindig zu machen, trägt die Sanierungsverantwortung das zuständige Land. Dies wiederum führt dazu, dass insbesondere die Landesbehörden alle Anstrengungen unternehmen, um andere Sanierungsverantwortliche ausfindig zu machen und zur Verantwortung zu ziehen.
Rz. 94
In den Fällen, in denen das Land die Sanierungsmaßnahmen übernimmt, besteht die Möglichkeit, die Kosten gegenüber den Sanierungsverantwortlichen geltend zu machen.
Praxishinweis
Neben den unmittelbaren Handlungsstörern haften damit auch die Personen, die auf die Einbringung von Bodenverunreinigungen keinen unmittelbaren Einfluss hatten. Hierzu gehört insbesondere der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt, d.h. der sogenannte Zustandsstörer im polizeirechtlichen Sinne. Dies kann nach den gesetzlichen Bestimmungen auch der Erwerber eines Grundstückes sein. Inhaber der tatsächlichen Gewalt sind aber auch der Besitzer, d.h. Pächter, Nießbraucher, Auftragnehmer oder sogar Insolvenzverwalter und damit auch der Testamentsvollstrecker. Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Testamentsvollstrecker den Besitz nicht ergriffen hat, beispielsweise weil ihm der Erbe die Schlüssel noch nicht herausgegeben hat.
Rz. 95
Die Haftung des Zustandsverantwortlichen ist verschuldensunabhängig, aber nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf den Verkehrswert der Immobilie begrenzt. Diese Haftungsbeschränkung gilt jedoch nur dann, wenn der Betroffene von den Altlasten keine Kenntnis hatte, wobei es bereits schädlich ist, wenn er sich diese fahrlässig nicht beschafft hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er sich die Kenntnis aus Behördenakten und durch eine Befragung des Voreigentümers verschaffen kann.
Rz. 96
Vor diesem Hintergrund kann sich aus einer Kaufvertragsklausel, mit der das konkrete Haftungsrisiko des Käufers ausgeschlossen werden soll und der Verkäufer eine allgemeine Zusicherung der Altlastenfreiheit des Grundstücks gibt, ein erhebliches Haftungsrisiko ergeben. Denn in diesem Fall besteht in besonderem Maße Anlass, sich über die Hintergründe der Klausel zu informieren. Hieraus ergibt sich sogleich, dass das Haftungsrisiko nicht durch kaufvertragliche Vereinbarungen auf den Käufer oder Verkäufer übertragen werden kann.
Gerade in Bezug auf Erbfälle ist hervorzuheben, dass die Haftung auch den Gesamtrechtsnachfolger, d.h. den Erben, trifft.
Praxishinweis
Der Testamentsvollstrecker ist gehalten, sehr sorgsam mit Grundstücken umgehen, für die die Gefahr einer Bodenbelastung besteht. Er hat unter Abwägung aller Chancen und Risiken die Frage zu klären, ob ggf. mit Blick auf die Sanierungsverpflichtungen auch eine Insolvenz des Nachlasses bestehen kann.