Rz. 21

Ein weiterer Anwendungsfall des Vorausvermächtnisses ist das an den Vorerben, sofern dieser bezüglich bestimmter Nachlassgegenstände vollständig von den Beschränkungen der Nacherbfolge befreit werden soll. Ein Vorausvermächtnis an den Vorerben fällt dem Nacherben auch nicht mehr an. Die Vorschrift des § 2110 Abs. 2 BGB bestimmt insoweit ausdrücklich, dass sich das Recht des Nacherben im Zweifel nicht auf ein dem Vorerben zugewandtes Vorausvermächtnis erstreckt.

Im Alleinerbfall fällt der Vermächtnisgegenstand mit dem Erbfall automatisch in das freie Vermögen des Vorerben, so dass hier ausnahmsweise eine dingliche Wirkung des Vermächtnisses eintritt.

Auch kann das Vorausvermächtnis zu einer ansonsten nicht möglichen gegenständlichen Nacherbfolge führen. Dies kann bspw. dadurch erreicht werden, dass der Erblasser eine bestimmte Person zum Vorerben beruft und ihr alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme desjenigen Nachlassgegenstandes, für den die Vor- und Nacherbfolge gedacht ist, als Vorausvermächtnis zuwendet (mittelbare Befreiung durch Aussonderung).

Für den Berater gilt es zu beachten, dass es sich bei § 2110 Abs. 2 BGB nur um eine Auslegungsregel handelt, so dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung klarstellen sollte, dass sich die Rechte des Nacherben nicht auch auf das dem Vorerben zugewandte Vorausvermächtnis erstrecken. Andernfalls könnte sich die Frage stellen, ob der Erblasser möglicherweise einen Nachvermächtnisnehmer benennen wollte.[36]

 

Rz. 22

Muster 12.6: Vorausvermächtnis an den Vorerben

 

Muster 12.6: Vorausvermächtnis an den Vorerben

Ich, _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, setze meine Ehefrau _________________________, geborene _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, zu meiner alleinigen Erbin meines gesamten Vermögens ein. Meine Ehefrau ist jedoch nur Vorerbin. Sie ist von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit. Ein Ersatzvorerbe wird entgegen jeder anderslautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel nicht bestimmt, es gilt die Vorschrift des § 2102 BGB.

Zu Nacherben bestimme ich meine beiden Kinder _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, und _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, zu jeweils gleichen Teilen. Für den Fall, dass meine Kinder vor oder nach dem Erbfall, gleich aus welchem Grunde, wegfallen, bestimme ich die Abkömmlinge meiner Kinder zu Ersatznacherben, wiederum ersatzweise soll – zunächst innerhalb eines Stammes – Anwachsung eintreten. Schlägt einer meiner Abkömmlinge den Erbteil aus, macht er seinen Pflichtteil geltend und erhält er ihn auch, dann ist er mit seinem ganzen Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn einer der Nacherben einen Zuwendungsverzicht abgegeben hat.

Das Nacherbenanwartschaftsrecht ist nicht vererblich und nicht übertragbar.

Meine Ehefrau _________________________ erhält darüber hinaus im Wege des Vorausvermächtnisses, das heißt ohne Anrechnung auf ihren Erbteil und damit außerhalb der nicht befreiten Vorerbschaft, das gesamte Guthaben auf dem Konto Nr. _________________________ bei der _________________________ Bank in _________________________, sowie das Wertpapierdepot mit der Nr. _________________________ bei der _________________________ Bank in _________________________ und die gesamten Hausratsgegenstände und das Inventar der von uns gemeinschaftlich bewohnten Wohnung einschließlich des Pkw. Die Rechte der Nacherben erstrecken sich ausdrücklich nicht auf die durch Vorausvermächtnisse zugewandten Gegenstände. Die Vorausvermächtnisse gelten nur dann als angeordnet, wenn meine Ehefrau die Erbschaft annimmt.

[36] MüKo/Grunsky, § 2110 Rn 3.

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