Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 139
Das Gesetz verlangt für den Anspruchsausschluss lediglich das Vorliegen eines betrieblichen Grundes. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand der gesetzlichen Vorgabe zu konkretisieren ist.
Rz. 140
Bei der Auslegung des Begriffes ist zunächst von Belang, welcher grundsätzliche Maßstab anzulegen ist. Ursprünglich war im Referentenentwurf noch von dringenden betrieblichen Gründen die Rede. Diese Formulierung wurde vom Gesetzgeber nicht übernommen. Nach der Gesetzesbegründung sollen bereits rationale, nachvollziehbare Gründe ausreichen. Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber bewusst Abstand von der Verwendung des Begriffes "dringend" genommen hat.
Rz. 141
Für einen bewussten Verzicht auf "dringende Gründe" sprechen auch systematische Gesichtspunkte. Zum einen ist der Begriff des "dringenden Grundes" dem Gesetzgeber bekannt. Er wird in § 1 Abs. 2 KSchG verwandt. Hinzu kommt, dass in dem gleichen Zeitraum wie das TzBfG auch das BErzGG in der Fassung vom 1.12.2000 in Kraft getreten ist. In § 15 Abs. 4 BErzGG wurde aber die Terminologie "dringenden betrieblichen Gründen" verwandt. Auch in der Nachfolgeregelung zu § 15 Abs. 4 BErzGG, in § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG hat der Gesetzgeber den Terminus "dringende betriebliche Gründe" verwandt. § 6 Abs. 4 ArbZG stellt auf entgegenstehende "dringende betriebliche Erfordernisse" ab, § 7 Abs. 1 und 2 BUrlG auf "dringende betriebliche Belange bzw. Gründe". Innerhalb des TzBfG wird zwischen "betrieblichen Gründen" (§ 8 Abs. 4 TzBfG) und "dringenden betrieblichen Gründen" (§ 9 TzBfG) unterschieden.
Rz. 142
Hinzu kommt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung seiner Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 S. 2, 14 GG einschränkt. Die in § 8 TzBfG geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers, unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen dem Wunsch des Arbeitnehmers nach Verringerung seiner Arbeitszeit und deren Festlegung zuzustimmen, ist allerdings mit Art. 12 GG vereinbar. Nach allgemeinen Regeln werden Ausnahmen eng ausgelegt. Bei dem Anspruchsausschluss aufgrund des Vorliegens betrieblicher Gründe handelt es sich um eine Gegenausnahme. Gegenausnahmen sind ebenfalls nach allgemeinen Regeln weit auszulegen. Auch dies spricht gegen eine enge Auslegung und damit gegen zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines betrieblichen Grundes.
Rz. 143
Das Erfordernis lediglich eines betrieblichen Grundes lässt sich auch teleologisch erklären. In § 15 BEEG hat der Gesetzgeber den durch Art. 6 GG grundrechtlich geschützten Interessen der Eltern und der Familie durch erhöhte Anforderungen Rechnung getragen. Solche schutzwürdigen Belange desjenigen, der die Teilzeit verlangt, müssen dem Anspruch nach § 8 TzBfG nicht zwingend zugrunde liegen. Deswegen können auch die Anforderungen an den Anspruchsausschluss insgesamt als geringer anzusehen sein.
Rz. 144
Obwohl vom Gesetzgeber kein strenger Maßstab gewollt war, hat das BAG "gewichtige" Gründe zum Maßstab seiner Prüfung gemacht. Es sei zu prüfen, ob das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe so erheblich ist, dass die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufs, der Sicherung des Betriebs oder zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung des Betriebs führen würde.
Diese Auslegung des § 8 Abs. 4 TzBfG ist mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar. Nachdem das BVerfG in einer Entscheidung zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Verbotes mehrfacher sachgrundloser Befristungen (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) ausgeführt hat, die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers sei Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit, sollte die Auslegung des § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG einer Überprüfung durch das BVerfG zugeführt werden.