Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 145
Das Gesetz benennt für das Vorliegen von betrieblichen Gründen Regelbeispiele. Ein betrieblicher Grund liegt hiernach insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Gerade im Hinblick auf die Regelbeispiele muss festgehalten werden, dass der Gesetzgeber hier inkonsistent arbeitet. Durch die Steigerung der individuellen Anforderungen ("wesentliche Beeinträchtigung") nivelliert er die Herabsetzung der Anforderungen im Allgemeinen.
Rz. 146
Betriebliche Gründe können gem. § 8 Abs. 4 S. 3 TzBfG auch durch Tarifvertrag festgelegt werden. Liegt eine solche Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes vor, so entfaltet diese für den Einzelfall indizielle Wirkung. Beispiele für tarifvertragliche Regelungen sind der Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe (§ 9), der TVöD (§ 11) und der TV-L (§ 11).
Rz. 147
Ein solcher Tarifvertrag kann auch individualvertraglich einbezogen werden und dann dieselbe Wirkung entfalten. Gleiches gilt unter besonderen Umständen gem. § 22 Abs. 2 TzBfG auch für Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst.
Rz. 148
Nach dem Wortlaut des Gesetzes können tarifliche Gründe nicht durch Betriebsvereinbarungen festgelegt werden. Unbenommen bleibt es jedoch dem Arbeitgeber, eine freiwillige Betriebsvereinbarung abzuschließen und hiermit sein Entscheidungsermessen im Voraus zu begrenzen. § 8 TzBfG begründet keinen Gesetzesvorbehalt im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG, der zum Ausschluss des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats führt. Eine auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung kann den Arbeitgeber daher dazu berechtigen, den Arbeitszeitneuverteilungsantrag des Arbeitnehmers abzulehnen. Ob eine freiwillige Betriebsvereinbarung im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes aufgrund ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung und der Durchführungspflicht des Arbeitgebers einem Neuverteilungsanspruch entgegenstehen kann, hat das BAG offengelassen. Eine Betriebsvereinbarung über Teilzeit verletzt jedoch die Zustimmungspflicht nach § 8 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 TzBfG, wenn sie Ansprüche auf Blockteilzeit "kontingentiert" und auf das Kalenderjahr befristet. Die Festlegung einer so genannten "Überforderungsquote" ist nach § 8 Abs. 4 S. 3 TzBfG den Tarifvertragsparteien – und nicht den Betriebsparteien – vorbehalten.
Rz. 149
Die in § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG aufgeführten Regelbeispiele dienen der Erläuterung des betrieblichen Grundes. Für einen entgegenstehenden betrieblichen Grund im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen. Das wird beispielhaft angenommen, wenn der Arbeitszeitwunsch die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit des Betriebs wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Ob hinreichend gewichtige betriebliche Gründe zur Ablehnung berechtigen, prüft die Rechtsprechung in einer dreistufigen Prüfungsfolge:
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Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein bestimmtes betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt (erste Stufe). |
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In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). |
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Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. |
Im Einzelnen:
Rz. 150
In der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vortrags ist arbeitsgerichtlich voll überprüfbar. In Ausprägung der unternehmerischen Freiheit nach Art. 12 GG sind die dem arbeitgeberseitigen Organisationskonzept zugrunde liegenden unternehmerischen Aufgabenstellungen und die durch den Arbeitgeber daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird. Insbesondere kann ein Organisationskonzept vom Arbeitsgericht nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Ein Arbeitnehmer hat insoweit kein Recht, ein gegebenes Organisationskonzept durch den Teilzeitwunsch zu durchbrechen.
Rz. 151
In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Änderungen des betrieblichen Ablaufs sind nur innerhalb des arbe...