Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 112
Eine Obliegenheit des Arbeitgebers besteht zudem im Hinblick darauf, sich überhaupt zu äußern. Gem. § 8 Abs. 5 TzBfG gibt es eine doppelte Fiktionswirkung für den Fall, dass der Arbeitgeber sich nicht äußert.
Rz. 113
Letztmöglicher Zeitpunkt der Äußerung ist ein Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung. Hinsichtlich der Berechnung der Monatsfrist gilt das oben zu den rücklaufenden Fristen Genannte (vgl. Rdn 27 ff.).
1. Fiktion der Verringerung der Arbeitszeit
Rz. 114
Gem. § 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt haben, und der Arbeitgeber die Arbeitszeitverringerung überhaupt nicht, nicht rechtzeitig, d.h. spätestens einen Monat vor deren gewünschten Beginn und/oder nicht formgerecht, d.h. in Textform abgelehnt hat. Die vom Arbeitnehmer begehrte Verteilung der Arbeitszeit gilt als festgelegt (§ 8 Abs. 5 S. 3 TzBfG). Infolge der Fiktion muss sich der Arbeitgeber so behandeln lassen, als hätte er der angetragenen Vertragsänderung zugestimmt. Die der Vertragsänderung zustimmende Willenserklärung des Arbeitgebers gilt somit als abgegeben, wenn er sich nicht bis spätestens einen Monat vor Beginn der Verringerung ablehnend geäußert hat (zu den weiteren Voraussetzungen einer wirksamen Ablehnung siehe Rdn 106 ff.).
2. Fiktion der Neuverteilung der Arbeitszeit
Rz. 115
Eine weitere Fiktionswirkung sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer über die Verteilung (Lage) der Arbeitszeit kein Einvernehmen erzielt haben und der Arbeitgeber nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Arbeitszeitverringerung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit schriftlich abgelehnt hat. Haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hingegen über eine bestimmte Verteilung geeinigt, so bedarf es insoweit nicht mehr der Ausübung des (einseitigen) Direktionsrechts.
Rz. 116
Fingiert wird nach § 8 Abs. 5 S. 3 TzBfG wiederum eine Willenserklärung des Arbeitgebers, nämlich die rechtsgeschäftliche, empfangsbedürftige Willenserklärung zur Ausübung des Gestaltungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB. Auch für die Ablehnung der Wünsche des Arbeitnehmers hinsichtlich der Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers gilt die Monatsfrist (zu den weiteren Voraussetzungen der formgemäßen Ablehnung siehe Rdn 181 ff.).
Rz. 117
Voraussetzung des Eintritts der Fiktionswirkung hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit ist es, dass der Arbeitnehmer diesbezüglich Wünsche geäußert hat. Hat der Arbeitnehmer sich zur gewünschten Verteilung nicht geäußert, was nach § 8 Abs. 2 TzBfG ("soll") keine Voraussetzung für ein formell ordnungsgemäßes Verringerungsersuchen ist, so liegen die Voraussetzungen für den Eintritt einer Fiktion nicht vor. In der Konsequenz kann der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Verteilung kraft Direktionsrechts festlegen.
Rz. 118
Eine isolierte Fiktion der Verringerung der Arbeitszeit ohne Fiktion die Neuverteilung betreffend ist also möglich; die Neuverteilung bleibt dem Direktionsrecht vorbehalten. Eine isolierte Fiktion der Neuverteilung ist hingegen nicht möglich. Ein Anspruch auf Neuverteilung unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers besteht nur im Rahmen der Verringerung der Arbeitszeit. Der Anspruch auf Neuverteilung ist somit ein unselbstständiger Annex zum Anspruch auf Verringerung.
Rz. 119
Hinweis
Der den Arbeitnehmer beratende Rechtsanwalt sollte stets dazu raten, die Verteilungswünsche mit anzugeben, und zwar spätestens im Rahmen der ersten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Geschieht dies nicht, vergibt der Arbeitnehmer die Einflussmöglichkeit auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht. Nach einseitig vorgenommener Neuverteilung ist diese gem. § 106 GewO nur noch auf Ermessensfehler zu überprüfen, nicht hingegen an den strengeren Maßstab des § 8 Abs. 4 TzBfG gebunden.
3. Folgen der Fiktionen
Rz. 120
Ist die Fiktionswirkung eingetreten, so gestaltet dies die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien um. Konkret kommt ein Änderungsvertrag hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit/der Verteilung der Arbeitszeit zu Stande. Dies bedeutet auch, dass der Arbeitnehmer nicht mehr auf Abgabe einer Willenserklärung klagen muss. Jedoch hat der Arbeitnehmer ein rechtliches Interesse daran, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Fiktionswirkung eingetreten ist. Die für ihn in dieser Situation richtige Klage ist somit die Feststellungsklage.
Rz. 121
Hinweis
Hat der Arbeitnehmer nach Eintritt der Fiktionswirkung eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung erhoben, so hat der Arbeitgeber mehrere prozessuale Möglichkeiten. Er kann zunächst Klageabweisung beantragen. Das Gericht wird jedoch den Leistungsantrag des Arbeitnehmers umdeuten in einen Feststellungsantrag darauf, dass die Fiktionswirkung eingetreten ist. Mit diesem Antrag wird der Arbeitnehmer Erfolg haben. Konsequenz ist eine Änderu...