Ansgar Beckervordersandfort, Dr. Christopher Riedel
Rz. 27
Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist nicht erforderlich wenn das Rechtsgeschäft dem vertretenen Kind einen lediglich rechtlichen Vorteil verschafft. Ist das Rechtsgeschäft für das Kind somit lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest rechtlich neutral, ist der Schutzzweck der Vertretungsbeschränkungen nicht erforderlich, da es sich um eine reine Begünstigung des Kindes handelt, § 181 BGB wird dann in Anlehnung an § 107 BGB teleologisch reduziert. Der gesetzliche Vertreter ist dann zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt.
Rz. 28
Ein neutrales Rechtsgeschäft liegt vor, wenn dem Minderjährigen durch das Rechtsgeschäft weder ein rechtlicher Vorteil noch rechtliche Nachteile drohen. Dies sind z.B. Rechtsgeschäfte, die der Minderjährige in Vertretung eines anderen vornimmt (§ 165 BGB) oder die Veräußerung einer fremden Sache an einen gutgläubigen Erwerber (§ 923 BGB).
Für die Praxis bedeutsamer ist jedoch die Definition der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit. Ein solcher Vorteil liegt immer dann vor, wenn das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen ausschließlich mit Verpflichtungen verbunden ist, für die er nur dinglich mit der erworbenen Sache und nicht persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Es ist allein auf die rechtliche Vorteilhaftigkeit abzustellen, die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist unerheblich.
aa) Schenkung von Personengesellschaftsanteilen
Rz. 29
Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils eines unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters ist für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er gem. §§ 128, 130, 161 Abs. 2 HGB sowohl für die Alt- als auch die Neuverbindlichkeiten unbeschränkt persönlich haftet.
Rz. 30
Auch mit dem Erwerb von Kommanditanteilen wird für den Minderjährigen ein "Bündel Rechte und Pflichten" begründet, welche rechtlich nachteilig sein können. Mittlerweile wird der Erwerb eines voll eingezahlten Kommanditanteils jedoch zutreffend überwiegend als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen. Die persönliche Haftung des Minderjährigen und das Verlustrisiko sind durch die zuvor vollständig erbrachte Hafteinlage auf diese beschränkt. Auch die Gefahr der wiederauflebenden Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB stellt keinen rechtlichen Nachteil dar, da die Haftung nur dann wiederauflebt, wenn die Einlage an den Minderjährigen selbst zurückgezahlt wird.
Rz. 31
Die drohende persönliche Inanspruchnahme des Minderjährigen nach §§ 172 Abs. 1, 176 Abs. 1 u. 2 HGB kommt darüber hinaus nicht in Betracht, wenn die Abtretung des Gesellschaftsanteils aufschiebend bedingt auf die Eintragung des Minderjährigen im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister erfolgt. Nur wenn der Minderjährige von dem gesetzlichen Vertreter Anteile eines persönlich haftenden Gesellschafters oder nicht voll eingezahlte Kommanditanteile übertragen bekommen soll, muss daher für den derivativen Anteilserwerb ein Ergänzungspfleger gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 181, 1909 BGB bestellt werden.
Rz. 32
Ungeachtet dessen, dass durchaus überzeugende Argumente für eine ausschließliche rechtliche Vorteilhaftigkeit sprechen, sollte für die Gestaltung – vor dem Hintergrund dieses derzeit uneinheitlichen Meinungsbildes – stets davon ausgegangen werden, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers möglicherweise doch erforderlich ist. Der Berater sollte das Risiko einer möglichen (schwebend) unwirksamen Vertragsgestaltung und die Kosten einer Ergänzungspflegerbestellung mit den Beteiligten gegeneinander abwägen und dann entweder auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers hinwirken oder den Übertragungsvertrag zunächst mit den Eltern als gesetzliche Vertreter des Minderjährigen schließen und notfalls später die Erklärung durch einen Ergänzungspfleger nachgenehmigen lassen.