Rz. 85

Das selbstständige Beweisverfahren ist gebührenrechtlich nicht Teil der Hauptsache, sondern eine eigene selbstständige Angelegenheit, in der die Rechtsanwaltsgebühren nach Nr. 3100 ff. VV RVG gesondert ausgelöst werden. Der Anwalt erhält eine 1,3 Verfahrensgebühr und ggf. eine 1,2 Terminsgebühr (z.B. für die Teilnahme an einem von einem gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termin), bei einer Einigung im Beweisverfahren (ohne parallelen Hauptsacheprozess) sogar eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Ist ein Prozess bereits gerichtlich anhängig, entsteht insoweit gem. Nr. 1003 f. VV RVG nur eine 1,0 Einigungsgebühr. Die Antragstellung nach § 494a ZPO durch einen Rechtsanwalt ist durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten. Reicht der Rechtsanwalt des Antragsgegners keinen Schriftsatz ein, der einen Gegenantrag oder Sachvortrag enthält, so entsteht für ihn, wenn er das Geschäft in irgendeiner Weise bereits betrieben hat, nur eine reduzierte 0,8 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG.

 

Rz. 86

In einem nachfolgenden Hauptsacheprozess wird lediglich die Verfahrensgebühr, aber nicht die Terminsgebühr angerechnet (§ 15a Abs. 1 RVG, Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG). Bezieht sich im nachfolgenden Hauptsacheprozess der Streit nur auf einen Teilaspekt aus dem Streitgegenstand des Beweisverfahrens, wird auch die anzurechnende Verfahrensgebühr nur aus dem insoweit geringeren Streitwert berechnet.

 

Rz. 87

 
Hinweis

Beispiel

Es wird ein Beweisverfahren über Baumängel in Höhe von 30.000 EUR geführt. Da der Sachverständige bei einem Ortstermin nur Mängel in Höhe von 10.000 EUR feststellt, kommt es auch nur insoweit zur Hauptsacheklage. Anzurechnen bei den Kosten des Rechtsstreits ist dabei die Verfahrensgebühr nur aus dem geringeren Wert des Beweisverfahrens, also soweit die Verfahrensgebühr nach 10.000 EUR angefallen wäre.

 

Rz. 88

Werden die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens von der Kostenentscheidung im anschließenden Hauptsacheverfahren mitumfasst, sind die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens und die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens allerdings von verschiedenen Rechtsanwälten verdient worden, scheidet eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens gemäß Vorbem. 3 Abs. 5 VV RVG aus.[120] Davon zu unterscheiden ist aber die Frage der Festsetzungsfähigkeit: Hier gilt § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO.[121] Es kommt also zu einer Notwendigkeitsprüfung. Unabhängig hiervon hat der BGH für den Fall, dass Erwerber von Wohnungseigentum ein selbstständiges Beweisverfahren mit anwaltlicher Vertretung eingeleitet haben und die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund eines Beschlusses, mit dem sie die Durchsetzung der Rechte der Erwerber auf Beseitigung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen hat, das Hauptsacheverfahren mit einem anderen Anwalt durchführt, die Verfahrensgebühr beider Anwälte bei der Kostenfestsetzung in Ansatz gebracht. Die Beauftragung des neuen Anwalts ist schon deshalb notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO, weil der Erwerber und die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfahren aus eigenem Recht einleiten können und nicht verpflichtet sind, sich dabei abzustimmen.[122]

[121] BGH BeckRS 2017, 133402.

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