Rz. 65

Gem. § 204 Abs. 2 ZPO endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB). Wird also kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist das Beweisverfahren eingeleitet, endet – bei längerem Verfahrensstillstand – die Hemmungswirkung mit der letzten Verfahrenshandlung (Regressfalle!). Bei Rücknahme des Antrages nach der Zustellung ist § 204 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbar; die Sechs-Monats-Frist der Hemmung läuft somit ab der letzten Verfahrenshandlung des Beweisverfahrens.

 

Rz. 66

 

Tipp

Die Sechs-Monats-Frist sollte auf jeden Fall vom Anwalt notiert werden.

 

Rz. 67

Allgemein endet das selbstständige Beweisverfahren mit der sachlichen Erledigung der Beweiserhebung.[90] Unerheblich sind etwaige "Beendigungsbeschlüsse" des Gerichts sowie der Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung. Das selbstständige Beweisverfahren kennt kein förmliches, für alle geltend gemachten Punkte gemeinsames Verfahrensende.[91]

 

Rz. 68

Das Verfahren endet mit der mündlichen Zeugenvernehmung[92] oder Sachverständigenanhörung im Termin[93] bzw. bei schriftlicher Begutachtung mit dem Zugang des (Ergänzungs-)Gutachtens bei den Parteien, wenn weder das Gericht eine Frist zur Stellungnahme zum Ergebnis der (mündlichen) Beweisaufnahme bzw. zum schriftlich erstatteten Gutachten gesetzt hat, noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der mündlichen Anhörung bzw. dem Erhalt des Gutachtens Einwendungen dagegen erhoben oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben.[94] Welche Frist angemessen ist, hängt vom Einzelfall (Umfang und Schwierigkeit des Beweisergebnisses) ab. Als angemessener Zeitraum wird der Ablauf von einem Monat nach der Gutachtenübersendung angesehen.[95] Bei entsprechender Fristsetzung endet das Verfahren mit dem ergebnislosen Ablauf der gerichtlich gesetzten Frist. Haben die Parteien rechtzeitig Einwendungen gegen das im selbstständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten erhoben, ist – sofern nicht eine weitere Beweisaufnahme stattfindet – das selbstständige Beweisverfahren jedenfalls dann beendet, wenn der mit der Beweisaufnahme befasste Richter zum Ausdruck bringt, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht stattfindet und dagegen innerhalb angemessener Frist keine Einwände erhoben werden.[96]

 

Rz. 69

 

Hinweis

Die Bestimmung des Beendigungszeitpunkts, ab dem die Sechs-Monats-Frist läuft, kann also nur aufgrund einer rückschauenden Betrachtung erfolgen, was in der Praxis mitunter Schwierigkeiten bereitet. Erst im Nachhinein können die Verfahrensbeteiligten erkennen, ob ein anderer Beteiligter noch Einwendungen erhoben hat, die – ggf. nur teilweise (siehe Rdn 70 f.) – Einfluss auf die Dauer der Verjährungshemmung haben. Zudem besteht immer eine Unsicherheit bei der Bewertung der Angemessenheit des Stellungnahmezeitraums, wenn keine Frist durch das Gericht gesetzt wurde. Wird etwa der für eine Sachverständigenanhörung geforderte Kostenvorschuss nicht gezahlt, kann der Beweisergänzungsantrag zurückgewiesen werden.[97] Die Nichtzahlung bzw. Zurückweisung bewirkt das Ende der Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 2 S. 2 BGB. Auch hier kann der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung erst durch eine Nachbetrachtung bestimmt werden. Insofern ist bei der Berechnung der Hemmungsdauer anwaltliche Vorsicht angebracht.

 

Rz. 70

Ein weiteres Risiko bei der Beendigung der Verjährungshemmung liegt in der Differenzierung zwischen verschiedenen Beweisgegenständen (unterschiedliche Mängel, abgrenzbare Verursachungsbeiträge etc.) und ggf. auch verschiedenen Antragsgegnern. Das selbstständige Beweisverfahren hinsichtlich verschiedener Beweistatsachen muss nicht einheitlich enden.

 

Rz. 71

 

Beispiele

Sind mehrere, voneinander unabhängige Mängel desselben Bauvorhabens Gegenstand mehrerer Sachverständigengutachten, so endet die Beweissicherung hinsichtlich eines jeden dieser Mängel mit der Übermittlung oder Erläuterung des auf ihn bezogenen Gutachtens. Die Unterbrechung der Verjährung endet auch dann jeweils mit dem Abschluss der einzelnen Beweissicherung.[98] Auch bei mehreren voneinander unabhängigen Gutachten (Gutachten eines Architekten zu Mängeln der Leistungsausschreibung und anschließend Gutachten eines Fliesenlegers zu Mängeln bei der Verlegung des Bodenbelags) tritt die Verfahrensbeendigung u.U. zeitlich gestaffelt ein.

[90] Vgl. aber auch OLG München MDR 2016, 352: Beendigung bei unvollständiger Abarbeitung der Beweisanträge nach Gutachteneinholung bei Unterlassen weiterer Fragen und Anträge.
[91] BGH NJW 1993, 851.
[92] Die Übermittlung der Protokollabschrift an die Parteien liegt außerhalb der Beweisaufnahme und gehört nicht mehr zum Beweisverfahren.
[93] Ob alle Beweisfragen umfassend beantwortet wurden, ist ohne Bedeutung, da die Beendigung nicht von der Qualität des Gutachtens abhängt: BGH NJW-RR 2009, 1243.
[94] Zur Beendigung bei mündlicher An...

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