Dr. Gudrun Möller, Prof. Dr. Jürgen Damrau
Rz. 81
Die Willenserklärungen der in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben richten sich an den Abzuschichtenden, nicht wie bei einer normalen Erbauseinandersetzung gegeneinander, also eines jeden Miterben gegen alle anderen Miterben. Es handelt sich daher aus der Sicht der verbleibenden Miterben um parallel gerichtete Willenserklärungen gegenüber dem Abzuschichtenden. Auf solche gleichgerichteten Willenserklärungen werden die §§ 1629 Abs. 2, 1795, 181 BGB nicht angewandt; es bedarf also für den Abschluss des Grundgeschäfts keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers für den minderjährigen Miterben (§ 1909 BGB), auch wenn noch andere minderjährige Kinder oder auch neben diesen ein Elternteil auf dieser Seite stehen, also in der Erbengemeinschaft verbleiben. Hier unterscheidet sich die Abschichtung von der vertraglichen Erbauseinandersetzung.
Etwas anderes gilt, wenn der ausscheidende Miterbe ein Elternteil ist oder wenn er ein ausscheidendes anderes minderjähriges Kind vertritt. Dann greift § 181 BGB ein; es ist für jedes Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen (§ 1909 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn der als Miterbe Ausscheidende mit dem Elternteil in gerader Linie verwandt ist (Großelternteil) oder wenn es sich um den Ehegatten (Stiefelternteil) des vertretungsberechtigten Elternteils handelt (§§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB).
Rz. 82
Soweit es um den Vollzug des Grundgeschäfts durch Leistung der Abfindung an den ausscheidenden Miterben geht, handeln Eltern für das Kind in Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft; § 181 BGB ist insoweit nicht anwendbar. Es bedarf zu diesem Vertrag keines Ergänzungspflegers.
Aber in der Praxis wird der Pfleger nicht nur für den Grundvertrag bestellt, sondern für "die Abschichtung eines anderen Miterben". Der Pfleger wird also auch für das Vollzugsgeschäft bestellt.
Das (vermögensmäßige) Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft geschieht nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB analog kraft Gesetzes zu dem von den Beteiligten festgesetzten Termin. Es bedarf also keines weiteren Vollzugsgeschäfts.
Beispiel
Es gibt vier Miterben: ein minderjähriges Kind, ein volljähriges Kind, deren Vater und den Bruder des Vaters (Onkel der Kinder). Der Bruder des Vaters soll aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, er soll abgeschichtet werden. Auf der einen Seite der Vereinbarung treten als Vertragspartner der Vater und die beiden Kinder auf, eines von diesen vertreten durch seine Mutter sowie durch seinen Vater, der zugleich für sich handelt. Auf der anderen Seite des Abschichtungsvertrages tritt der Bruder des Vaters auf. §§ 181, 1643, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB sind unanwendbar, es bedarf keiner Bestellung eines Pflegers. Es gibt auch keine Genehmigungspflicht nach §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 BGB.
Wird als Gegenleistung für das Ausscheiden seitens der Erbengemeinschaft die Leistung eines Nachlass-Grundstücks an den Bruder/Onkel versprochen, dann greifen §§ 1643, 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB ein, es bedürfen Grundvertrag wie Auflassung der familiengerichtlichen Genehmigung. Der Abgefundene scheidet z.B. mit der Eintragung seines Eigentums am Grundstück kraft Gesetzes aus, weil dieser Zeitpunkt im Abschichtungsvertrag festgelegt ist.
Rz. 83
Trotz des Ausdrucks "Abschichtungsvertrag" handelt es sich doch der Sache nach um einen (Teil-)Erbauseinandersetzungsvertrag. Ist es aber so, dass minderjährige Miterben von ihren Eltern vertreten werden, ist eine Genehmigung nach §§ 1643, 1822 BGB nicht nötig, weil § 1643 BGB nicht auf § 1822 Nr. 2 BGB verweist. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, weil die Vorschriften über gerichtliche Genehmigungserfordernisse nach heute herrschender Meinung formal auszulegen und daher nicht der Analogie fähig sind. Auch §§ 1643, 1822 Nr. 1 BGB greifen nicht ein, weil sich der Minderjährige nicht zu einer Verfügung über seinen Erbanteil verpflichtet, er bleibt ja in der Erbengemeinschaft. Deshalb bedarf der schuldrechtliche Vertrag, der zur Abschichtung eines anderen Miterben verpflichtet, also nur der Genehmigung nach §§ 1915, 1822 Nr. 2 BGB, wenn der minderjährige Miterbe durch einen Pfleger vertreten wird.
Eine Genehmigungspflicht kann sich stets – also auch für Eltern als Vertreter – ergeben, wenn die Verpflichtung zu Abfindungsleistung bzw. deren Erfüllung einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, so im obigen Beispiel. Da der Minderjährige als Miterbe gesamthänderischer Miteigentümer des Grundstücks ist, bedarf der Verpflichtungsvertrag und die Auflassung des Grundstücks als Abfindung der Genehmigungen nach §§ 1643 Abs. 1, 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB.