Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 211
Es bleibt sodann die Frage zu beantworten, wie zu verfahren ist, wenn der Eigentümer die Immobilie nach Verlassen des Wohnungsberechtigten ohne Absprache weitervermietet hat.
Fallbeispiel 111: Die Vermietung und das ungenutzte Wohnungsrecht
A hatte 1995 ihr Hausgrundstück an den Ehemann M der F übertragen unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts, der Zahlung einer monatlichen Rente und der Übernahme von Pflegeleistungen. Das Wohnungsrecht und eine Reallast wurden in das Grundbuch eingetragen. 2002 übertrug der Ehemann M die Immobilie an F. 2006 wurde A heimpflegebedürftig. F vermietete die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume für 300 EUR monatlich; die vereinnahmte Miete macht A nunmehr geltend. Sie ist aktuell noch in der Lage, aufgrund ihrer eigenen Mittel die Kosten der Heimpflegebedürftigkeit selbst zu tragen.
Rz. 212
Falllösung Fallbeispiel 111:
Das Wohnungsrecht und die Reallast sind als dingliche Rechte nicht deshalb erloschen, weil sie von A wegen ihrer Heimpflegebedürftigkeit nicht mehr genutzt werden können. Der Eigentümer, der den Besitz an sich zieht, tut dies "störend" i.S.v. § 858 BGB, wenn es ohne den Willen des Besitzers geschieht.
Zwischen F und A bestand keine Absprache über eine Vermietung der Räume. Weder hatte A der F die Nutzung der Räume gestattet noch hatte F der A die Nutzung der Räume durch andere Personen als sie selbst gestattet (§ 1092 Abs. 1 S. 2 BGB). Folglich fehlt es an einer Absprache über die Zuweisung des Mietzinses.
Ein Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ableiten, so wie dies gegebenenfalls zwischen A und dem M als ursprüngliche Vertragspartner bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung möglich gewesen wäre. Zwischen A und F bestand kein schuldrechtliches Verhältnis und das ist eine Besonderheit gegenüber den üblichen Fällen aus der Praxis.
Rz. 213
Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass F etwas auf Kosten der A erlangt hätte. Das setzt einen Eingriff in die Rechtsposition voraus, die dem Gläubiger aufgrund dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Das ist nicht der Fall, weil der Wohnungsberechtigte nur die Unterlassung (§ 1004 BGB) der unerlaubten Nutzung des Rechtsguts verlangen kann, nicht aber seinerseits berechtigt ist, die Nutzung anders als durch eigenes Wohnen zu ziehen.
In der Praxis rechtfertigt das m.E. aber keine generelle Schlussfolgerung dahingehend, dass der Eigentümer einer mit einem Wohnungsrecht belasteten Immobilie stets ohne weiteres vermieten kann, ohne fürchten zu müssen, die vereinnahmte Miete herausgeben zu müssen. Die Besonderheit des Falles bestand hier darin, dass zwischen F und A kein schuldrechtliches Vertragsverhältnis bestand und deshalb nach Ansicht des BGH aus dem allein dinglich übernommenen Recht kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung war. Der BGH weist darauf hin, dass grundsätzlich zwischen dem Eigentümer und dem dinglich Berechtigten auch die Prüfung von § 242 BGB möglich ist und der Eigentümer ausnahmsweise verpflichtet sein könnte, eine Vermietung der Räume zu gestatten. Die bloße Vermietung reiche für eine solche Ausnahmesituation aber nicht aus. Dazu bedürfe es besonderer Umstände, die die Versagung der Vermietung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließe. Daran fehle es, da die A noch über Einkommen und Vermögen verfüge, aus denen die Pflegekosten gedeckt werden könnten. In der jüngsten Entscheidung des BGH zu diesem Thema hat er allerdings bestätigt: "Beide können die aufgrund einer unberechtigten Vermietung erzielten Mieteinnahmen aber grundsätzlich nicht vom jeweils anderen Teil herausverlangen, weil ihnen insoweit keine Nutzungsbefugnis zusteht."
Rz. 214
Weitere Anspruchsgrundlagen (§§ 687 Abs. 2, 681 Abs. 2, 667, 816 Abs. 2, 990 i.V.m. §§ 987, 99 Abs. 3 BGB) verneinte der BGH ebenfalls und wies darauf hin, dass das Ergebnis im Einzelfall sogar dadurch legitimiert werden könne, dass das Betreuungsgericht die Aufgabe des Wohnungsrechts durch einen Betreuer genehmigen könne, wenn es weder vom Eigentümer noch vom Wohnungsberechtigten mehr genutzt werden könne.
Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es primär darauf an, ob die Nutzungen dem Wohnungsberechtigten deshalb zuzuweisen sind, weil dieser seinerseits einen Anspruch gegen den Eigentümer auf Gestattung der Vermietung hat. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, führt die ergänzende Auslegung des Bestellungsvertrages im Regelfall nicht zu einer Pflicht des Eigentümers, die Vermietung durch den Wohnungsberechtigten zu gestatten. Aus § 242 BGB lässt sich eine solche Pflicht ohne weitere besondere Umstände auch nicht herleiten.
Rz. 215
Die untergerichtliche Rechtsprechung folgt dem und negiert ausdrücklich das vom BGH auch angebrachte Argument, dass die Weiterverwertung des Wohnungsrechts dem Wohnungsberechtigten zukommen solle, wenn das Wohnungsrecht aus Gründen der Altersvorsorge vereinbart war. Sie sieht den Sozialleistungst...