Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 77
Zitat
"Über die Anforderungen der ERV-Verordnung hinaus entscheidet im Einzelfall das jeweilige Gericht, ob ein elektronisches Dokument zur Bearbeitung geeignet ist",
so der Verordnungsgeber in der Begründung zur Verordnung. Es kommt also subjektiv darauf an, ob das Gericht, bei welchem das Dokument eingeht, dieses bearbeiten kann und nicht, dass das Dokument bundesweit von allen denkbaren Gerichten bearbeitbar ist. Nach Ansicht des Verordnungsgebers können zur Bearbeitung ungeeignet sein:
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elektronische Dokumente, die mit Schadsoftware versehen sind, |
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elektronische Dokumente, die durch ein Kennwort lesegeschützt sind. |
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Insofern ist die Entscheidung des OLG Nürnberg, ein bei Gericht eingereichter Antrag könne nicht deshalb mangels Einhaltung der Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden, wenn trotz Verwendung eines zulässigen Formats (PDF) beim Kopieren von Textteilen in ein anderes elektronisches Dokument durch das Gericht eine unleserliche und sinnentstellte Buchstabenreihung entsteht, beachtlich. Ein im internen Gerichtsbetrieb auftretender Fehler führt eben nicht zur Unwirksamkeit der Einreichung. Diese Entscheidung des BGH ist noch zur inzwischen behobenen Problematik der "Umlaute" ergangen; in ihrer Kernaussage aber auch heute noch zutreffend. |
Nach richtiger Ansicht des BGH bedarf es zur formwirksamen Einreichung nicht die Einbettung von Schriftarten (wie dies noch mit der inzwischen aufgehobenen ERVB 2019 gefordert worden war).
Rz. 78
§ 130a Abs. 6 ZPO regelt die Möglichkeit der Nachreichung, wenn ein elektronisches Dokument zur Bearbeitung bei Gericht nicht geeignet ist.
Zitat
"(6) 1Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. 2Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt."
Rz. 79
Vorsicht: Zum einen teilen Gerichte nicht unbedingt mit, woran ein Dokument "krankt", sodass man dies oft mühevoll erst selbst herausfinden muss. Nach Auffassung des BAG ist aber auch die
Zitat
"einmalige Möglichkeit der Nachreichung auch ausreichend, um den Zugang zu den Gerichten ohne unverhältnismäßige Einschränkung zu gewährleisten."
Rz. 80
Da der Gesetzgeber zum 1.1.2022 die Anforderungen an elektronische Dokumente erheblich abgesenkt hat, siehe hierzu auch Rdn 10 ff. in diesem Kapitel, ist die Gefahr, Fehler zu machen, deutlich gesunken. Passiert jedoch ein Fehler, ist zu beachten, dass die Nachreichung nur dann funktioniert, wenn nicht nur das Dokument in einer geeigneten Bearbeitungsform nachgereicht wird, vielmehr muss auch gleichzeitig glaubhaft gemacht werden (z.B. durch eidesstattliche Versicherung), siehe § 294 ZPO, dass das nachgereichte Dokument mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Fehlt es an der Glaubhaftmachung, wird die Nachreichung vom Gericht abgelehnt werden. Die Anforderung, dass die Identität der Dokumente glaubhaft zu machen ist, ist logisch nachvollziehbar. Durch die Glaubhaftmachung bleibt es dem Richter erspart, die Inhaltsgleichheit der Dokumente selbst prüfen zu müssen. Zur Art und Weise der Glaubhaftmachung bei Ersatzeinreichung (nicht zu verwechseln mit der hier behandelten Nachreichung) siehe aber auch § 3 Rdn 110 ff. in diesem Werk. Die dort genannten Glaubhaftmachungsmittel können auch bei Nachreichung zur Anwendung kommen. Das BAG vertritt zudem die Auffassung, dass dann, wenn das Gericht nicht unverzüglich auf Formmängel im elektronischen Dokument hinweist, dadurch weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit des gesetzlichen Heilungsverfahrens entfällt. Ein nicht unverzüglicher Hinweis des Gerichts kann, so das BAG, der Gegenseite daher nicht zum Vorteil gereichen.
Rz. 81
Wie ist vorzugehen, wenn eine entsprechende Monierung des Gerichts erfolgt?
Beispiel
Vorhaben: Versand Berufungsbegründung per beA
Ergebnis: Gericht moniert nach § 130a Abs. 6 ZPO einen Dateimangel
Was ist zu tun?
1. |
Fristen notieren (Tag des Eingangs der Monierung (heute) für Nachreichung + Wiedereinsetzungsfrist mit Vorfrist). |
2. |
Sofern der Mitarbeiter und nicht ein Anwalt selbst die Post öffnet: sachbearbeitenden Anwalt informieren. |
3. |
Herausfinden, woran das Dokument krankt, sofern dies nicht vom Gericht konkret mitgeteilt wird. |
4. |
Dokument neu aufbereiten und in "passende Form" bringen. |
5. |
Dokument inhaltlich nicht ändern! Vorsicht auch bei Feldfunktionen beim Datum. Diese sollten unbedingt deaktiviert sein. Ein geändertes Datum ist eine inhaltliche Änderung. |
6. |
Unverzügliche Nachreichung und gleichzeitige Glaubhaftmachung der Übereinstimmung mit dem zuvor eingereichten Dokument z.B. durch eidesstattliche Versicherung. |
7. |
Erkundigen bei Gericht/Geschäftsstelle, ob nun alles passt. |
8. |
Aktenvermerk ... |