Rz. 165
Denkbar ist, dass einem Miterben von den anderen das Alleinverwaltungsrecht an den einzelnen Nachlassgegenständen übertragen wird oder dass ein Miterbe noch vom Erblasser her qua Vollmacht (Vorsorgevollmacht) das Alleinverwaltungsrecht hat. Damit steht diesem Alleinverwalter auch das alleinige Recht zum unmittelbaren Besitz zu. Wird das Alleinverwaltungsrecht widerrufen (bspw. Vollmachtswiderruf), so können die anderen Miterben die Einräumung des Mitbesitzes gem. § 667 BGB verlangen. Nimmt ein Erbe einen Nachlassgegenstand eigenmächtig in Alleinbesitz, so stehen den übrigen Miterben Besitzschutzrechte aus § 861 BGB zu, die auch von einem gem. § 2039 BGB für die übrigen geltend gemacht werden können. § 866 BGB schließt den Besitzschutz aus, soweit "es sich um die Grenzen des den Einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt". Besitzschutz gewährt die h.M. grundsätzlich nur gegen Besitzentziehung durch den einzelnen Miterben.
Rz. 166
Wird durch eine Besitzstörung ein Mitbesitzer faktisch vom Gebrauch einer gemeinsamen Sache ausgeschlossen, so kommt dies einer Besitzentziehung gleich.
Rz. 167
Da der Besitz wie ein absolutes Recht gem. § 823 BGB schadensersatzrechtlich geschützt ist, kann bei Besitzentziehung auch Wiedereinräumung des Mitbesitzes im Wege der Naturalrestitution i.S.v. § 249 BGB verlangt werden.
Rz. 168
Nimmt einer der Miterben einen Nachlassgegenstand (bspw. ein Sparbuch) ohne Zustimmung der anderen in Besitz, so begeht er damit verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB. Jeder Miterbe kann Einräumung des Mitbesitzes gem. §§ 985, 861, 2039 BGB verlangen.
Rz. 169
Dieser Anspruch auf Einräumung des Mitbesitzes kann von den anderen Erben im Wege der einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) geltend gemacht werden. Dabei sind sie nicht auf den Erlass einer Sicherungsverfügung – gerichtet auf Herausgabe an einen Sequester – beschränkt, vielmehr kann durch die Leistungsverfügung in Vorwegnahme der Hauptsache Einräumung des Mitbesitzes verlangt werden. Die einstweilige Verfügung ersetzt allerdings nicht den Hauptsacheprozess. Als Verfügungsgrund genügt die Glaubhaftmachung von verbotener Eigenmacht. Besondere Dringlichkeit ist weder erforderlich noch glaubhaft zu machen.
Hierzu führt das AG Rostock aus:
Zitat
1. Ein Erbe kann von einem Miterben gemäß §§ 861 Abs. 1, 2039 BGB verlangen, dass dieser von ihm aus dem Wohnhaus des Erblassers mittels verbotener Eigenmacht entfernte Nachlassgegenstände an diesen Ort zurückbringt, damit der Besitz der Erbengemeinschaft wieder begründet wird.
2. Dem Besitzschutzanspruch steht nicht entgegen, dass der Anspruchsteller zuvor selbst mittels verbotener Eigenmacht andere Nachlassgegenstände aus dem Haus entfernte. Hieraus lässt sich kein Rechtfertigungsgrund herleiten für die begangene verbotene Eigenmacht des Anspruchsgegners.
3. Zwar ist der Besitzschutz unter Mitbesitzern gemäß § 866 BGB beschränkt, jedoch nicht, soweit der Besitz endgültig entzogen wird, da damit die Grenzen zulässigen Mitbesitzes überschritten werden. Eines Verfügungsgrunds bedarf es im Falle der Besitzentziehung mittels verbotener Eigenmacht regelmäßig nicht.“
Rz. 170
Die Begründung des alleinigen Besitzes am Nachlassgegenstand durch einen Miterben vor der Auseinandersetzung des Nachlasses kann als Anmaßung einer tatsächlich nicht bestehenden Alleinerbenstellung verstanden werden, wenn sie mit einer Negierung des den übrigen Miterben zustehenden Rechts zum Mitbesitz verbunden ist. Der Ersatzanspruch des Herausgabeberechtigten im Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe des Nachlassgegenstands (bspw. eines Aktiendepots) nach §§ 2018, 2020, 2023, 2024, 989 BGB umfasst dessen Wert und den Gewinn, der ihm infolge des Unvermögens des Rückgewährpflichtigen zur Herausgabe entgeht. Für die Wertbemessung ist der Zeitpunkt des Herausgabeverlangens maßgeblich.