Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 104
Bei Arbeitnehmern, die (noch) nicht oder nicht mehr unter das KSchG fallen, sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers zu stellen als bei Arbeitnehmern, die unter das KSchG fallen. Es bedarf auch insoweit der Angabe der konkreten Umstände und der subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers, warum er die Kündigung aussprechen möchte, wobei formelhafte Sätze nicht ausreichen. Weiterhin ist auch bei Kündigungen außerhalb des KSchG insbesondere nach dem Beschluss des BVerfG zu berücksichtigen, dass eine Kündigung weder willkürlich sein noch auf sachfremden Motiven beruhen darf. Wenn unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl getroffen wurde, dann ist der Arbeitgeber auch außerhalb des KSchG zu einem gewissen Maß an sozialer Rücksichtnahme verpflichtet. Ebenso darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Berücksichtigt der kündigende Arbeitgeber all diese Aspekte und legt sie seiner Kündigungsentscheidung zugrunde, dann sind auch diese Umstände dem Betriebsrat mitzuteilen.
Rz. 105
Der Grundsatz, dass auch bei fehlendem Kündigungsschutz eine vorherige Anhörung des Betriebs- und Personalrats erforderlich ist, wurde vom BAG bestätigt. Das BAG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG dazu dient, dem Arbeitgeber Gelegenheit zu geben, sich eine abschließende Meinung über Leistungs- und Führungsverhalten des Arbeitnehmers zu bilden, wobei die Überprüfung objektiven Maßstäben nicht zwingend zugänglich sein muss. Konsequenz dieser Entscheidung des BAG ist, dass fehlende Angaben zu den Sozialdaten des Arbeitnehmers, insbesondere zu Lebensalter und Unterhaltspflichten, dem Sinn und Zweck der Entscheidung nach grundsätzlich nicht zur Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung führen können. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Kündigung wegen unzureichender Arbeitsleistung und mangelnder Bewährung ausgesprochen werden soll. Lebensalter und Unterhaltspflichten sind in derartigen Fällen für die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers nicht maßgeblich, weil die Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate keiner sozialen Rechtfertigung bedarf. Aus Gründen des "sichersten Wegs" und wegen der Rechtsprechung zum AGG (vgl. oben Rdn 72) ist der Praxis zu empfehlen, diese regelmäßig ja ohnehin vorliegenden Daten dem Betriebsrat gleichwohl vollständig mitzuteilen.
Rz. 106
Soweit es die Angabe der Kündigungsgründe im Rahmen einer beabsichtigten Wartezeitkündigung angeht, differenziert die höchstrichterliche Rechtsprechung. Wenn und soweit der Arbeitgeber die Kündigung auf Tatsachen stützt, die im bisherigen Arbeitsverhältnis vorgefallen sind und die Grundlage der auszusprechenden Kündigung sein sollen, dann ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, diese nach seiner Auffassung der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen dem Betriebsrat vollständig und korrekt mitzuteilen. Wenn allerdings die beabsichtigte Wartezeitkündigung des Arbeitgebers auf (i.d.R.) personenbezogenen Bewertungen und Beurteilungen des Arbeitnehmers beruht, die typischerweise nicht durch "harte Tatsachen" unterfüttert werden, dann soll die Mitteilung des bloßen Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ausreichen. Der Arbeitgeber genügt dann den Anforderungen des § 102 Abs. 1 BetrVG, wenn er dem Betriebsrat mitteilt, dass der Arbeitnehmer sich nach seiner Auffassung nicht bewährt habe oder nicht den in ihn gesetzten Erwartungen nachgekommen sei bzw. diese nicht erfüllt habe.
Rz. 107
Dabei reicht nach der Rechtsprechung des BAG die Angabe des arbeitgeberseitigen Werturteils auch dann aus, wenn diesem Werturteil grundsätzlich konkretisierbare Tatsachen zugrunde liegen bzw. zugrunde liegen könnten. Eine Informationspflicht über diese gegebenen Tatsachen, die Grundlage des Werturteils nach arbeitgeberseitiger Auffassung sind, ist laut BAG nicht erforderlich. Das BAG stellt bei seiner Begründung einerseits auf den Grundsatz der subjektiven Determination und andererseits darauf ab, dass durch diese Rechtsauffassung der betriebsverfassungsrechtliche "Kündigungsschutz" des Arbeitnehmers nach § 102 BetrVG mit den kündigungsschutzrechtlichen Wertungen (offenbar) dergestalt koordiniert werden (sollen), dass wegen des Fehlens materiellrechtlichen Kündigungsschutzes die Anforderungen im Rahmen des § 102 BetrVG reduziert werden oder, wie es das BAG ausdrückt, die wechselseitigen Rechte und Interessen zwischen betriebsverfassungsrechtlicher und kündigungsschutzrechtlicher Intensität wechselseitig zum Ausgleich gebracht werden.