Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 39
Der Betriebsrat ist nach § 102 BetrVG nur zu beteiligen, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Arbeitgebers enden soll. Endet das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder durch sonstige Gründe, die keine Kündigung darstellen, besteht das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht. Keine Anhörungspflicht besteht daher, wenn ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf oder Fiktion gem. § 17 TzBfG, § 7 KSchG endet. Das Beteiligungsrecht besteht auch nicht, wenn ein auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis durch Eintritt der Bedingung gem. § 158 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 TzBfG endet. Die Mitteilung des Arbeitgebers, dass ein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werde, oder eine mit der Befristung des Vertrags begründete Ablehnung der Weiterbeschäftigung stellen ebenso wenig eine Kündigungserklärung dar wie die schriftliche Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gem. § 15 Abs. 2 TzBfG. Zu beachten ist jedoch, dass dann, wenn der Arbeitgeber die vorgenannten Erklärungen mit einer eigenständigen hilfsweisen Kündigungserklärung verbindet, diese hilfsweise Kündigung der Anhörungspflicht des § 102 BetrVG unterfällt.
Rz. 40
Eine Anhörungspflicht besteht ebenfalls nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag aufgelöst wird. Liegt ein "echter" Abwicklungsvertrag vor, der das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern nach Zugang einer Kündigung vertragliche Regelungen zur Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses trifft, dann bedarf es ebenfalls keiner Anhörung. Davon unberührt bleibt die zuvor ausgesprochene Kündigung. Diese ist ebenso beteiligungspflichtig wie eine Kündigung, der eine (unwirksame) "mündliche Absprache" der Vertragsparteien vorausgegangen ist. Der Anhörung unterliegen auch nicht sonstige Zusammenhangstatbestände, auf die sich der Arbeitgeber beruft, um entweder vom Arbeitsvertrag loszukommen oder geltend zu machen, dass kein Arbeitsvertrag vorliege. Dies betrifft die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags ebenso wie die Geltendmachung eines vermeintlich schwebend unwirksamen Arbeitsvertrags, die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und die Anfechtung des Arbeitsvertrags. Daher ist auch die einseitige Lösungserklärung bei einem faktischen Arbeitsverhältnis nicht beteiligungspflichtig. Der Betriebsrat ist nach § 102 BetrVG auch nicht zu beteiligen, wenn das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung bzw. mit dem Ablauf der Ausbildungszeit endet.
Rz. 41
Eine Anhörungspflicht des Betriebsrats entfällt ferner dann, wenn der Betriebsrat die Kündigung des Arbeitnehmers selbst betreibt, also die Entlassung eines Arbeitnehmers nach § 104 BetrVG verlangt. Fraglich ist, ob Entsprechendes auch gilt, wenn bei der Einstellung eines Arbeitnehmers das Mitbestimmungsrecht gem. § 99 BetrVG verletzt wurde und der Betriebsrat in diesem Zusammenhang die Aufhebung der personellen Maßnahme verlangt, das Arbeitsverhältnis aber wegen der individualrechtlichen Bindung des Arbeitgebers nur durch eine Kündigung aufgelöst werden kann. Hier sollte mindestens vorsorglich seitens des Arbeitgebers eine Anhörung nach § 102 BetrVG in Betracht gezogen werden ebenso wie auch in sonstigen Fällen, in denen der Arbeitgeber gezwungen sein kann, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
Rz. 42
Auch die vorgeschalteten Institute Abmahnung, Ermahnung, Rüge, die oftmals ein Kündigungsszenario vorbereiten, sind mitbestimmungsfrei. Entsprechendes gilt auch für den Auflösungsantrag nach § 9 KSchG im Rahmen des BetrVG. Wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, ist dieser Antrag auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Gleichwohl besteht keine Veranlassung, § 102 BetrVG anzuwenden, da die entsprechende Einflussnahmemöglichkeit des Betriebsrats hinsichtlich des Ausscheidens des zu kündigenden Mitarbeiters über die Anhörung zur Kündigung gegeben war.
Rz. 43
Nach § 1 Abs. 5 KSchG besteht die Möglichkeit, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich zu bezeichnen. Der Gesetzgeber hat allerdings nicht angeordnet, dass auch die Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG damit gegenstandslos wird. Die Betriebsparteien können die Anhörung aber mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich/Sozialplan verbinden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers im Rahmen der Anhörung keine erleichterten Anforderungen gestellt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass bei dem Bestreiten der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung durch den Arbeitgeber dargelegt werden muss, wann der Betriebsrat über die Gründe der Kündigung, die Person des betroffenen Arbeitnehmers und die Art der Kündigung in Kenntnis gesetzt wurde. Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe be...