Rz. 137

Die Berufsunfähigkeit im Sinne der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung als privatrechtlichen Vertrag ist ein Rechtsbegriff, welcher losgelöst ist von anderen Berufsunfähigkeitsvokabeln aus anderen Rechtsgebieten. Dies ist für die Erklärung gegenüber dem Mandanten wichtig, da oftmals Berufsunfähigkeit aus anderen Rechtsgebieten (z.B. aus dem Sozialrecht) mit Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungswirtschaft gleichgesetzt wird.

 

Praxistipp

Man darf daher auf keinen Fall die eigenständigen Begriffe der Dienstunfähigkeit oder Berufs- und Erwerbsunfähigkeit des Sozialversicherungsträgers oder des Krankentagegeldversicherers und auch nicht den Begriff der Arbeitsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt miteinander gleich setzen. Dies sind völlig voneinander losgelöste Dinge. Aus diesem Grund verbietet sich auch, irgendwelche Bescheide der Sozialversicherungsträger als Beweis in einen Prozess einzuführen für die Behauptung, dass eine Berufsunfähigkeit im Sinne der BUZ-Bedingungen gegeben ist. Es ist einzig und allein anhand des Begriffes der Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen zu prüfen, ob eine Berufsunfähigkeit vorliegt. Die entsprechenden Arztberichte und Bescheide können lediglich hinsichtlich der medizinischen Feststellungen verwertet werden, ob eine Berufsunfähigkeit im Sinne der BUZ-Bedingungen gegeben ist. Eine Kopplung oder einen Automatismus aufgrund dieser Bescheide gegenüber der Berufsunfähigkeit im Sinne der BUZ gibt es jedoch nicht.

 

Praxistipp

Wenn außergerichtlich oder gerichtlich Sachverständige die Berufsunfähigkeit zu prüfen haben, ist auch seitens des Anwalts das Ergebnis genau zu prüfen. Es wäre daher absolut falsch, wenn lediglich, z.B. aufgrund der Tatsache, dass der Versicherungsnehmer einen positiven Rentenbescheid erhalten hat, der Sachverständige erklärt, damit sei der Versicherungsnehmer auch automatisch berufsunfähig oder nicht berufsunfähig im Sinne der BUZ-Bedingungen.

 

Praxistipp

Es kann sogar der scheinbar widersprüchliche Fall eintreten, dass der Krankentagegeldversicherer kein Krankentagegeld mehr zahlt, weil Berufsunfähigkeit gemäß der MB/KT-Bedingungen eingetreten ist, der BUZ-Versicherer jedoch nicht zahlt, weil er eine andere Berufsunfähigkeitsdefinition zugrunde legt. Ein solches Ergebnis dem Mandanten zu erklären, der nicht juristisch vorgebildet ist, fällt mitunter sehr schwer.

 

Praxistipp

Wenn der Versicherer die Ärzte anschreiben will, ist bei der Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten auf § 213 VVG zu achten. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.10.2006 (1 BvR 2027/02, zfs 2007, 34) ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Befugnis des Einzelnen umfasst, über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten selbst zu bestimmen. Der Versicherer muss daher den Versicherungsnehmer mit einem Schreiben informieren, dass er die entsprechenden Ärzte anschreiben will.

Durch die Einführung des § 213 VVG muss dem Versicherungsnehmer also vor Erhebung der Daten berichtet werden. Er kann der Erhebung widersprechen und seine Einwilligung jederzeit widerrufen. Ferner ist der Versicherungsnehmer auf seine Rechte hinzuweisen. Daher ist in Absprache mit dem Anwalt seitens des Mandanten zu klären, welche Daten notwendig sind. In der Entscheidung des BGH (VersR 2010, 97) ging es darum, dass der Versicherer im Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Schweigepflichtentbindungserklärung Informationen erlangte, die es rechtfertigten, von einer arglistigen Täuschung zu sprechen. Ist dies der Fall, muss eine Güteabwägung erfolgen, wie mit den gewonnenen Daten umzugehen ist. Ähnlich war es in einem Fall des BGH vom 25.5.2011 (VersR 2011, 1249). Auch hier war im Einzelfall zu prüfen, ob der Versicherer, wenn er diese Information erlangt hat, einem Verwertungsverbot hinsichtlich dieser Informationen unterliegt oder ob er diese verwerten und dann notfalls den Vertrag anfechten kann. Als genereller Maßstab kann festgehalten werden, dass der Versicherer keine Daten "ins Blaue hinein" erheben kann, sondern er immer nur dann, wenn wirkliche Anhaltspunkte des Versicherers vorliegen, die notwendigen Angaben bei den Ärzten erfragen darf.

Hierbei ist die Frage in der Rechtsprechung auch innerhalb des § 213 VVG ungeklärt, ob z.B. der Versicherungsnehmer von sich aus sagen kann, "gut, dann besorge ich dem Versicherer die Daten und schicke diese" oder ob der Versicherungsnehmer es gestatten muss, dass der Versicherer den Arzt direkt anschreibt. Die Verfasser vertreten die Auffassung, dass sich der Versicherungsnehmer im Rahmen des § 213 VVG auch die Daten selber von den Ärzten einholen und diese dann an den Versicherer schicken kann. Dies hat natürlich erhebliche Vorteile für den Versicherungsnehmer, da er so klären kann, welche Daten relevant sind und welche nicht. Auf diese Art und Weise kommt der Versicherer gar nicht in den Genuss, alle Gesundheitsdaten zu erlangen.

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