Rz. 9
Im selbstständigen Beweisverfahren erhält der Anwalt zunächst einmal die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich nach Nr. 3101 VV auf 0,8 reduzieren kann. Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0.
Rz. 10
Auch im selbstständigen Beweisverfahren kann der Anwalt eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV verdienen. Die Terminsgebühr entsteht nicht nur dann, wenn es in einem gerichtlichen Termin zu Verhandlungen oder Erörterungen kommt (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV), z.B. im Fall des § 492 Abs. 3 ZPO, sondern auch dann, wenn der Anwalt an einem vom Sachverständigen anberaumten außergerichtlichen Termin teilnimmt (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV). Darüber hinaus kann im selbstständigen Beweisverfahren die Terminsgebühr auch dadurch anfallen, dass der Anwalt an Besprechungen oder Terminen (auch) ohne Beteiligung des Gerichts und des Sachverständigen mit dem Gegner teilnimmt, um das Beweisverfahren zu erledigen und/oder einen nachfolgenden Rechtsstreit zu vermeiden (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV). Eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV ist dagegen nicht möglich, ebenso wenig eine Reduzierung der Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV auf 0,5.
Rz. 11
Kommt es im Beweisverfahren zu einer Einigung, so entsteht nach Nr. 1000 Nr. 1 VV eine Einigungsgebühr. Die Höhe der Einigungsgebühr beläuft sich auf 1,5, und zwar auch dann, wenn über die Gegenstände, über die sich die Parteien geeinigt haben, das Beweisverfahren anhängig ist (arg. e. Nr. 1003 VV). Lediglich dann, wenn die Hauptsache bereits anhängig ist, entsteht die Einigungsgebühr nur zu 1,0 (Nr. 1003 VV) bzw. im Berufungs- oder Revisionsverfahren zu 1,3 (Nr. 1004 VV). Klargestellt ist in Anm. zu Nr. 1003 VV, dass selbstverständlich auch ein Prozesskostenhilfeantrag, der nur für das Beweisverfahren, nicht aber für die Hauptsache gestellt ist, nicht zur Reduzierung der Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV führt (siehe Rdn 31).
Rz. 12
Umstritten war früher, welcher Gegenstandswert im selbstständigen Beweisverfahren anzunehmen ist. Die wohl überwiegende Rspr. hatte schon zur BRAGO den vollen Hauptsachewert angesetzt, weil das selbstständige Beweisverfahren Teil der Hauptsache war (§ 37 Nr. 3 BRAGO). Diese Auffassung hat die Rspr. zum RVG übernommen, obwohl es sich jetzt um eine eigene selbstständige Angelegenheit handelt.
Rz. 13
Wird nach Abschluss des Beweisverfahrens beantragt, dem Antragsteller aufzugeben, Hauptsacheklage zu erheben, zählt diese Tätigkeit noch zum Beweisverfahren und löst keine gesonderten Gebühren aus (§ 19 Abs. 1 S. 1 RVG). Erst die Hauptsacheklage löst eine neue Angelegenheit aus (siehe Rdn 37, 60 ff.).
Rz. 14
Auch das Verfahren über die Kostenentscheidung bei unterlassener Hauptsacheklage zählt noch zum Beweisverfahren (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 RVG). Wird gegen die Kostenentscheidung oder deren Verweigerung eine Beschwerde eingelegt, ist dies wiederum eine neue Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG) (siehe hierzu Rdn 27 u. § 21 Rdn 4 ff.).
Rz. 15
Kommt es nach dem Beweisverfahren zu einem Hauptsacheverfahren, oder wird während des Hauptsacheverfahrens ein Beweisverfahren eingeleitet, so werden die Verfahrensgebühren aufeinander angerechnet, Vorbem. 3 Abs. 5 VV i.V.m. § 15a Abs. 1 RVG.
Rz. 16
Eine Anrechnung unterbleibt allerdings gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, wenn zwischen Abschluss des Beweisverfahrens und Einleitung des Hauptsacheverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre liegen.
Rz. 17
Ist dem Beweisverfahren eine außergerichtliche Vertretung vorangegangen, so ist die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV oder der Nr. 2303 VV auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anzurechnen. Sie ist dann aber nicht auch noch auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen (siehe Rdn 55 ff.).