Rz. 32

Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist, dass die Vorteile der F1 bei der Bedarfsbemessung aus der zeitlichen Abfolge der Ehen durch den Vorrang der F2 wieder – infolge begrenzter Leistungsfähigkeit des M – Einbußen erleiden müssen.

 

Rz. 33

Andererseits ist Ausgangspunkt der – nach den Vorgaben des BVerfG – ermittelte Bedarf. Das so gewonnene Ergebnis kann nur dahin abgeändert werden, dass der Mindestbedarf (1.024 EUR) der (wegen Kinderbetreuung) vorrangigen F2 sichergestellt werden muss.

 

Hinweis

Der Lösungsvorschlag geht davon aus (vgl. ausführlich Fall 35, siehe § 10 Rdn 1), dass der Gleichrang oder der Vorrang der zweiten Ehefrau es vom Grundsatz her nicht gebietet, F1 und F2 im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1581 durch Anwendung der Drittelmethode finanziell gleichzustellen.[3]

 

Rz. 34

Zunächst ist deshalb – zur Sicherstellung des Mindestbedarfs der F2 – eine Herabstufung des Kindesunterhalts auf den Mindestunterhalt geboten (vgl. hierzu Fall 20, siehe § 4 Rdn 54).

Der Zahlbetrag in der ersten Einkommensgruppe (Mindestunterhalt) beträgt in der Altersgruppe eins 286,50 EUR. Für F2 sind 1.024 EUR anzusetzen. M verblieben nach Abzug dieser Beträge 1.689,50 EUR (3.000 – 286,50 – 1.024 EUR). Nach Abzug des oben errechneten Unterhalts für F1 (1.125 EUR) verblieben M nur 564,50 EUR. Damit wäre sogar der Ehegattenmindestselbstbehalt (1.280 EUR) unterschritten.

 

Rz. 35

Es muss jedoch nicht nur der Ehegattenmindestselbstbehalt, sondern im Verhältnis zur F1 auch der eheangemessene Selbstbehalt (vgl. hierzu Fälle 18 und 35, siehe § 3 Rdn 94, § 10 Rdn 1) gewahrt werden.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 159/09

[…] der eigene angemessene Unterhalt nicht geringer sein darf als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag (Urteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264; so auch Wellenhofer, FF 2011, 144, 147; Borth, FamRZ 2011, 445, 448 f.; Graba, FF 2011, 102, 105; Gutdeutsch, FamRZ 2011, 523, 524 f.; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 597, 598 f. und Maier, FuR 2011, 182; a.A. Maurer, FamRZ 2011, 849, 856 f.).

[…] hat der Senat schon in der Vergangenheit den individuellen Selbstbehalt des ­Unterhaltspflichtigen als "Kehrseite" des Unterhaltsbedarfs des Berechtigten behandelt und den angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, mit dem Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgesetzt (Senatsurteil BGHZ 109, 72 = FamRZ 1990, 260, 264).

 

Rz. 36

M hätte also 564,50 EUR, während F1 in Form von Eigeneinkommen und Unterhalt 1.625 EUR (500 + 1.125 EUR) hätte.

 

Rz. 37

Um den Grundsatz der gleichen Teilhabe im Verhältnis M/F1 zu wahren, hat eine Kürzung des Unterhaltsanspruchs der F1 zu erfolgen.

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte kann dann nicht mehr den vollen Unterhalt im Wege der Halbteilung verlangen, weil dem Unterhaltspflichtigen nur ein gleich hoher Betrag seines Einkommens verbliebe, der für seinen eigenen Unterhalt und den hinzugetretenen gleichrangigen Betreuungsunterhalt zu verwenden wäre. Sowohl dem Unterhaltspflichtigen als auch dem gleichrangig hinzugetretenen Unterhaltsberechtigten verbliebe dann deutlich weniger als dem geschiedenen Ehegatten zustünde.

Dies führt zu einem relativen Mangelfall zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem geschiedenen Ehegatten, der zu einer Kürzung des Unterhaltsanspruchs nach Billigkeit führen muss. Dem Unterhaltspflichtigen muss im Verhältnis zum geschiedenen Ehegatten somit mehr als die Hälfte des Einkommens verbleiben, um auch den hinzugekommenen Betreuungsunterhalt seines neuen Ehegatten oder einen nachehelich entstandenen Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB erfüllen zu können.

 

Rz. 38

Denkbar wäre, diese Differenz zwischen M und F1 so auszugleichen, dass jeder die gleichen Mittel zur Verfügung hat; der Unterhalt wäre entsprechend zu kürzen.

(564,50 + 1.625) : 2 = 2.189,50 : 2 = 1.095 EUR

Damit wäre aber noch nicht der Ehegattenmindestselbstbehalt von 1.280 EUR gewahrt.

Deshalb ist der Unterhalt der F1 auf 409,50 EUR (3.000 – 1.280 Selbstbehalt – 1.024 Mindestbedarf der vorrangigen F2 – 286,50 Mindestunterhalt für K) zu kürzen.

[3] Vgl. zu dieser Vorgehensweise bei Vorrang der zweiten Ehefrau aber Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2011, 772, 774 mit Berechnungsbeispielen; ginge man nämlich wie Gerhardt und Gutdeutsch davon aus, dass Gleichrang auch eine finanzielle Gleichstellung gebietet, wäre eine Gleichstellung der F2 erst recht bei deren Vorrang geboten.

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