Rz. 35
Mit der Anfechtungsklage, einer Gestaltungsklage, wird gem. § 44 Abs. 1 WEG die Ungültigerklärung eines Beschlusses beantragt. Häufig spricht man auch von der "Aufhebung" oder "Unwirksamkeitserklärung"; das meint dasselbe. Auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich anordnet, welche Beschlüsse für ungültig zu erklären sind, besteht hierüber kein Streit: Bei fristgerechter Anfechtung können alle fehlerhaften Beschlüsse (→ § 2 Rdn 45) vom Gericht für ungültig erklärt werden, also:
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Beschlüsse, die aus formellen oder materiellen Gründen rechtswidrig sind (ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen) und |
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nichtige Beschlüsse. |
Wenn Nichtigkeitsgründe geltend gemacht werden, kann zwar auch die Nichtigkeitsklage erhoben werden; dafür besteht bei einer Klageerhebung innerhalb der Anfechtungsfrist aber kein Anlass (→ § 2 Rdn 56).
Rz. 36
Die Darlegungs- und Beweislast für die ihm günstigen Tatsachen liegt nach allgemeinen Grundsätzen beim Kläger. Gegenüber konkreten Einwendungen des Klägers gegen die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses trifft die beklagte Gemeinschaft aber eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast ("substantiiertes Bestreiten"). Wenn bspw. der Kläger im Zuge der Anfechtung des Beschlusses über Nachschüsse (Jahresabrechnung) den Anfall oder den Umlageschlüssel einer Position bestreitet, muss er zunächst weiter nichts vortragen; erst wenn die Gemeinschaft zum Streitpunkt substantiiert vorgetragen hat, ist es Sache des beweispflichtigen Klägers, den Beklagtenvortrag zu entkräften. Etwas anderes gilt m.E., wenn der Kläger sich gegen eine nur ihn treffende Einzelbelastung wendet (→ § 8 Rdn 103). Hier muss sich die Beweislast umdrehen und die beklagte Gemeinschaft in der Pflicht stehen, die für den Zahlungsanspruch maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sonst stünde der Kläger schlechter, als wenn die Gemeinschaft eine Zahlungsklage gegen ihn führen würde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist nach h.M. derjenige der Beschlussfassung, weil die Willensbildung der Eigentümer überprüft werde (→ § 10 Rdn 61). Nach hier vertretener Auffassung ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, weil die Beschlussmängelklage eine objektive Ergebniskontrolle bezweckt (→ § 10 Rdn 8).
Rz. 37
Eine Teilanfechtung setzt voraus, dass der angefochtene Teil abtrennbar (teilbar) ist. Das ist der Fall, wenn der nicht angefochtene Rest des Beschlusses eine selbstständige durchführbare Regelung enthält. Nicht entscheidend ist es, ob der Beschluss in mehrere, einzeln nummerierte Abschnitte aufgeteilt wurde oder nicht. Nach hier vertretener Auffassung genügt die Tatsache der Teilbarkeit für die Zulässigkeit einer Teilanfechtung und kommt es nicht darauf an, ob der nicht angefochtene Beschlussteil mutmaßlich auch ohne den angefochtenen Teil beschlossen worden wäre. Deshalb kann richtigerweise bspw. bei einem Beschluss einer Baumaßnahme nur dessen Finanzierungsregelung angefochten werden. Wenn der verbleibende Rest (Baumaßnahme ohne Finanzierung; Verwalterbestellung mit unzureichendem oder ganz ohne Vertrag) nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen sollte, kann und muss die Gemeinschaft durch neue Beschlussfassung einen rechtmäßigen Zustand herstellen. Würde man das anders sehen, wäre ein Anfechtungskläger gezwungen, "sicherheitshalber" mehr als nötig und beabsichtigt die Willensbildung der Gemeinschaft anzugreifen und im Zweifel lieber zu viel als zu wenig anzufechten (also z.B. auch den Beschluss der Baumaßnahme, obwohl er nur gegen die Art der Finanzierung oder die Kostenverteilung Einwände hat. Die wohl h.M. sieht das aber anders: Demnach soll die Teilanfechtung und die damit einhergehende teilweise Aufrechterhaltung eines Beschlusses nur dann möglich sein, wenn entsprechend § 139 BGB zweifelsfrei anzunehmen ist, dass die Gemeinschaft den Beschluss auch dann gefasst hätte, wenn sie von seiner (Teil-)Unwirksamkeit gewusst hätte. Was aber passiert, wenn das Gericht dem Anfechtungskläger zu verstehen gibt, dass es seine Teilanfechtung mit der Überlegung für unbegründet hält, dass die Gemeinschaft den verbleibenden Rest mutmaßlich nicht isoliert beschlossen hätte? Der BGH hat entschieden, dass das Gericht vor der Abweisung einer "unzulässigen" (gemeint: unbegründeten) Teilanfechtungsklage dem Kläger einen entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO) erteilen und Gelegenheit zur Klarstellung des Gewollten geben müsse, da eine unzulässige Teilanfechtungsklage im Zweifel als Anfechtung des ganzen Beschlusses auszulegen sei. Der Kläger kann nach einem solchen Hinweis behaupten, er habe "eigentlich" von Anfang an eine Gesamtanfechtung beabsichtigt. Dass diese Konstruktion weder dogmatisch überzeugend ist noch zu halbwegs sicher prognostizierbaren Ergebnissen führt, liegt auf der Hand. Einem Kläger ist nach alledem zu empfehlen, in Zweifelsfällen sicherheitshalber den ganzen Beschluss anzufechten (und Kostennachteile in Kauf zu nehmen, falls das Gericht nur auf Teilaufhebung erkennt) oder be...