Rz. 66
Der verletzte Arbeitnehmer erleidet – wirtschaftlich gesehen – dann und solange keinen unmittelbaren Erwerbsschaden, wie er Leistungsansprüche gegen Dritte hat. Arbeitnehmer haben, sofern sie unter das Entgeltfortzahlungsgesetz fallen, zunächst für maximal sechs Wochen gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG). Ist die Arbeitsfähigkeit auch dann noch nicht wiederhergestellt, haben sie, sofern kein Ausschlussgrund (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V) und kein Arbeitsunfall (vgl. Rdn 67) vorliegt, gegen den Träger der Krankenversicherung (AOK, Ersatzkasse pp.) für maximal 78 Wochen einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (§§ 44 ff., 48 SGB V). Dabei handelt es sich um eine Entgeltersatzleistung, durch die der Erwerbsschaden des Verletzten (teilweise) ausgeglichen wird. Ist für den Unfall ein Dritter verantwortlich und besteht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Unfallverursacher, geht der Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens gegen den Dritten gemäß § 6 Abs. 1 EFZG auf den Arbeitgeber über, sofern dieser tatsächlich zahlt, das heißt, der verletzte Arbeitnehmer ist insoweit nicht Anspruchsinhaber und damit nicht aktivlegitimiert. Auf den Träger der Krankenversicherung geht der Schadensersatzanspruch gemäß § 116 SGB X über (vgl. auch § 2 Rdn 246 ff.; § 36 Rdn 1 ff.). Das Krankengeld deckt regelmäßig den Erwerbsschaden nicht voll ab; wegen der ungedeckten Schadensspitze kann der Geschädigte den Schädiger weiterhin auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Rz. 67
Erleidet der Geschädigte den Unfall als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII oder als Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB VII, ist nach § 11 Abs. 4 SGB VII allein der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung leistungsverpflichtet. Wegen des Erwerbsschadens erhält der Verletzte nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung statt des Krankengeldes von dem Träger der Unfallversicherung Verletztengeld. Dieses deckt den Nettoerwerbsschaden des Geschädigten in der Regel weitgehend ab und wird oft für einen langen Zeitraum gezahlt. Besteht ein Ersatzanspruch gegen einen Unfallbeteiligten, geht dieser auch hier gemäß § 116 SGB X auf den Träger der Unfallversicherung über. Dieser ist Anspruchsinhaber (auch hinsichtlich der Heilbehandlungskosten ist nicht die Krankenkasse zuständig). Auch hier verbleibt dem Geschädigten selbst die Aktivlegitimation nur hinsichtlich einer eventuellen Schadensspitze.
Rz. 68
Der zur Entgeltfortzahlung verpflichtete Arbeitgeber hat nur dann Anspruch auf Ersatz des auf ihn übergegangenen Verdienstausfallschadens des Arbeitnehmers aus einem Unfall, wenn er den Vollbeweis dafür erbringt, dass die behaupteten Verletzungen Resultat des Unfalls sind. Beweiserleichterungen kommen ihm insofern nicht zugute. Auf die Richtigkeit von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann er sich schadensrechtlich nicht verlassen. Soweit sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs etwas anderes ergibt, kann dem nicht gefolgt werden und wird dem, wie die vorstehenden Zitate zeigen, auch nicht gefolgt.
Rz. 69
Der Anspruchsübergang nach § 6 EFZG erfasst nur die gesetzlich geschuldete Entgeltfortzahlung. Das Entgeltfortzahlungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 2 EFZG nur für Arbeitnehmer im engeren Sinne (Arbeiter, Angestellte und Auszubildende). Es gilt nicht für gesetzliche Vertreter juristischer Personen, wie z.B. den Geschäftsführer einer GmbH, und für selbstständige Unternehmer, wie z.B. Handelsvertreter. Auf diese ist § 6 EFZG auch nicht entsprechend anzuwenden. Wird z.B. an den verletzungsbedingt arbeitsunfähigen Geschäftsführer einer GmbH das vereinbarte Gehalt weitergezahlt, ist eine Abtretung der Ersatzansprüche erforderlich. Eine solche Abtretung kann individual- oder tarifvertraglich vorab vereinbart sein. Andernfalls ist der Beschäftigte, der nicht in den Anwendungsbereich der §§ 1 ff. EFZG fällt, dazu im Zweifel in entsprechender Anwendung von § 255 BGB oder § 285 BGB verpflichtet, damit zum einen eine Doppelzahlung an den Geschädigten (Gehaltsfortzahlung und Schadensersatz) vermieden wird und zum anderen der zahlende Arbeitgeber beim Schädiger regressieren kann. Erleidet ein Handelsvertreter unverschuldet einen Unfall und kündigt ihm der Unternehmer später deswegen, so kann der Unternehmer nicht verlangen, dass der Handelsvertreter von seinem Schadensersatzanspruch gegen den am Unfall Schuldigen ihm einen Teilbetrag abtritt, der den noch nach dem Unfall gemäß § 87 Abs. 2 HGB gezahlten Provisionen und dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entspricht.
Rz. 70
Das EFZG gilt nicht für Beamte, Richter und Soldaten; für sie gelten besondere beamtenrechtliche Regelungen (hinsichtlich des Anspruchsübergangs vgl. z.B. § 76 BBG, § 30 Abs. 3 SoldG und entsprechende landesrechtliche Regelungen).
Rz. 71
Zum übergangsfähigen Erwerbsschaden des Arbeitnehmers gehören auch die Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Arbeitgeberanteile. Der Arbei...