Rz. 22
Die Ausführungen zur Zumutbarkeit in der Gesetzesbegründung sind recht allgemein gehalten. Erstaunlicherweise wird auf den jeweiligen Betreuer abgestellt. Dabei sollten die Interessen des Betreuten im Mittelpunkt stehen. Wenn ein Betreuer viele zeitaufwändige Betreuungen führt, kann das nicht dazu führen, dass das Auskunftsrecht nach § 1822 BGB n.F. für die nahen Personen eingeschränkt ist im Vergleich zu einem Betreuer, der gerade weniger zeitaufwändige Betreuungen führt. Wie viel Arbeit die geführten Betreuungen verursachen, kann Zufall sein oder die Folge einer ungünstigen Auswahl bei der Betreuungsübernahme. Beides darf nicht zu Lasten des Betreuten oder seiner nahestehenden Personen gehen.
Rz. 23
Zutreffend ist, dass ein wesentliches Kriterium die Frequenz der Auskünfte ist. Sie kann in einer Krisensituation mit einer akuten oder schwerwiegenden Erkrankung höher sein. Von den nahestehenden Personen wird vom Betreuer grundsätzlich auch verlangt werden können, sich untereinander auszutauschen, damit er nicht zahlreichen Personen immer wieder dasselbe berichten muss.
Rz. 24
Neben der Frequenz sind aber auch die Intensität und die Dauer der Auskunftserteilung für die Zumutbarkeit beachtliche Kriterien. Grundsätzlich darf (muss aber nicht) der Betreuer sich im Rahmen des § 1822 BGB n.F. auf einen Bericht beschränken. Er muss den nahestehenden Personen nicht die medizinischen Hintergründe, also das Fachwissen, vermitteln. Auch wenn dies unter Umständen von diesen schwer eingesehen werden wird, müssen sie sich die für die Aus- und Bewertung der Situation notwendigen Kenntnisse selbst aneignen oder sich an anderer Stelle beraten lassen.
Rz. 25
Der Betreuer muss sich nach § 1822 BGB n.F. auch nicht die Gedanken, Meinungen und Vorschläge der nahestehenden Personen anhören und mit ihnen diskutieren, da die Verpflichtung auf seine Aktivität beschränkt ist. Nach hier vertretener Ansicht wird der Betreuer sich aber aus dem Grundsatz, den Betreuten zu unterstützen (§ 1821 Abs. 2 S. 3, 4 BGB n.F.), – unabhängig von der Pflicht aus § 1822 BGB n.F. – bei nahestehenden (und auch anderen) Personen über den Betreuten erkundigen müssen. So ist es naheliegend, dass z.B. Geschwister, die den Betreuten lange kennen, Angaben zu seinen Wünschen und Vorstellungen und auch zu möglichen Verbesserungsmaßnahmen machen können.
Rz. 26
Aus dem Wortlaut des § 1822 BGB n.F. geht nicht hervor, dass der Betreuer die nahestehenden Personen über anstehende Maßnahmen, die von ihm geplant sind, informieren muss. Auch eine Auskunftspflicht nach Verlangen ist nicht direkt ersichtlich. Allerdings sollte der Begriff der "Lebensumstände" diesbezüglich nicht zu eng gesehen werden. So setzt z.B. eine anstehende Operation regelmäßig eine Erkrankung oder Verletzung voraus, über die nach § 1822 BGB n.F. zu berichten sein wird. Dass ggf. in Kürze eine Operation ansteht, gehört dann ebenfalls zu den Lebensumständen. Zudem kann sich wiederum aus der Unterstützungspflicht ergeben, dass Informationen zu geben sind.
Rz. 27
Formulierungsbeispiel: Verlangen nach § 1822 BGB n.F.
Sehr geehrte/r Frau/Herr (…) (Betreuer),
als Sohn des von Ihnen betreuten (…) bitte ich um Auskunft über die persönlichen Lebensverhältnisse meines Vaters. Es geht mir um die persönlich-gesundheitliche Situation, auch um weitere Entwicklungen abschätzen und ggf. unterstützend tätig werden zu können. Informationen über finanzielle Angelegenheiten würden mir ermöglichen, ggf. ebenfalls zielgerichtet unterstützen zu können in einer Weise, die meinem Vater zu Gute kommt und nicht lediglich Sozialleistungen verringert. Bitte teilen Sie mir auch mit, wenn bzw. wie an der Lebenssituation meines Vaters Änderungen anstehen (z.B. bezogen auf den Aufenthalt) oder zu befürchten sind (z.B. gesundheitlich oder ein Verbrauch der finanziellen Rücklagen mit der Folge der Abhängigkeit von Sozialleistungen). Danke.
Mein trotz Ortsabwesenheit nahes Verhältnis zu meinem Vater ergibt sich schon aus der Verwandtschaft und zeigt sich auch in meinem Engagement, wie mit diesem Brief. Soweit sich mein Vater in der letzten Zeit hin und wieder ablehnend gegenüber mir geäußert haben soll, werden Sie dies fachgerecht als Folge seiner leider vorangeschrittenen Demenzerkrankung einordnen können.
Gerne stehe ich Ihnen für ein Gespräch zur Verfügung, für das ich auch zu Ihnen komme, und höre Ihre Terminvorschläge, gerne in den nächsten zwei Wochen. Dies wäre mir deutlich lieber als ein sonst zu vereinbarendes Telefonat.
Weiter stehe ich Ihnen und meinem Vater wie bisher für Informationen und Unterstützung zur Verfügung, soweit mir dies möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
(…)