Rz. 504
Das Verfahren ist in § 17 Abs. 2 ARB 75 geregelt und noch in den ARB 94 einiger Rechtsschutzversicherer vorgesehen. § 18 ARB 2000/2008 stellt ebenso wie § 3 a ARB 2010 und Nr. 3.4 ARB 2012 den Rechtsschutzversicherern ausdrücklich frei, ob sie ihren Versicherungsnehmern das Stichentscheids- oder das Schiedsgutachterverfahren anbieten wollen.
Rz. 505
Stimmt der Versicherungsnehmer der Auffassung des Rechtsschutzversicherers, der den Rechtsschutz wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht oder wegen Mutwilligkeit verweigert, nicht zu, kann er den für ihn tätigen oder einen noch zu beauftragenden anderen Rechtsanwalt veranlassen, dem Rechtsschutzversicherer gegenüber eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, dass die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg habe und nicht mutwillig erscheine (§ 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75). Diese Stellungnahme wird auf Kosten des Rechtsschutzversicherers abgegeben. Der BGH hat inzwischen geklärt, dass insoweit ebenfalls der Versicherungsnehmer gegenüber dem Anwalt Kostenschuldner ist und lediglich ein Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Rechtsschutzversicherer besteht, sodass auch hier eine Abwehrdeckung zur Freistellung möglich ist.
Rz. 506
Der Rechtsschutzversicherer hat dem Versicherungsnehmer auch dann die Kosten des Stichentscheides zu erstatten (§ 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75), wenn dieser der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen die hinreichende Erfolgsaussicht abspricht oder sie für mutwillig erklärt. Der Rechtsanwalt kann für einen – günstigen oder ungünstigen – Stichentscheid eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG geltend machen. Gegenstandswert ist dabei die Kostenlast, die mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in dem bestimmten Versicherungsfall verbunden ist (vgl. Rdn 490). Eine Gutachtengebühr (Nr. 2103 VV RVG a.F.), von der das LG Detmold ausgeht, wird in aller Regel aber nicht entstehen.
Rz. 507
Zum erforderlichen Inhalt eines Stichentscheids ist nach BGH zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt, der den Stichentscheid abgibt, die Funktion eines Schiedsgutachters hat. "Da gem. § 17 Abs. 2 ARB eine begründete Stellungnahme abzugeben ist, ist der Rechtsanwalt gehalten, die Grundlagen seiner gutachterlichen Entscheidung und den Weg, auf dem er zu ihr gelangt ist, aufzuzeigen; er hat deshalb grundsätzlich den entscheidungserheblichen Streitstoff darzustellen, anzugeben, inwieweit für bestrittenes Vorbringen Beweis oder Gegenbeweis angetreten werden kann, die sich ergebenden rechtlichen Probleme unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre herauszuarbeiten und das nach seiner Ansicht bestehende (Prozess-)Risiko aufzuzeigen, d.h. sich auch mit etwa vorhandenen Argumenten auseinander zu setzen, die gegen eine Erfolgsaussicht sprechen. Bei der Frage der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels hat der Stichentscheid nicht nur Fehler des erstinstanzlichen Urteils aufzuzeigen, sondern muss auch darlegen, dass die Klage ohne diesen Fehler Erfolg hätte. Dabei ist es von nachrangiger Bedeutung und weitgehend von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängig, in welche Form der Anwalt seine Stellungnahme kleidet und wie umfänglich er sie gestaltet und dabei auf die vom Rechtsschutzversicherer angemeldeten Bedenken eingeht." Es genügt, wenn der Stichentscheid eine Stellungnahme nur bezüglich der Punkte enthält, auf die sich die Ablehnungsgründe des Rechtsschutzversicherers beschränken, denn es ist zunächst Sache des Rechtsschutzversicherers darzulegen, weshalb seine nach dem Versicherungsvertrag grundsätzlich gegebene Einstandspflicht ausnahmsweise entfallen soll. Ein späteres Nachschieben von weiteren Ablehnungsgründen durch den Rechtsschutzversicherer ist hingegen nicht mehr möglich. Ergänzungen einer Stellungnahme – jedenfalls zeitnahe – sind zulässig und rechtlich beachtlich.
Rz. 508
Das Ergebnis, zu dem der Rechtsanwalt kommt, ist für beide Parteien verbindlich (§ 17 Abs. 1 S. 2 ARB). Derjenige, der die Bindungswirkung anzweifelt, muss dartun, dass die Stellungnahme offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. § 17 Abs. 2 S. 2 ARB 75 schließt damit an die allgemeine Regelung an, die § 84 Abs. 1 S. 1 VVG für die Fälle vorsieht, in denen im Bereich der Schadensversicherung ein Sachverständigengutachten, ähnlich dem des § 17 Abs. 2 ARB, gemäß den jeweiligen AVB durchgeführt wird. Wann diese Voraussetzungen für eine fehlende Bindungswirkung gegeben sind, hat der BGH bis jetzt noch nicht zusammenfassend definieren müssen. Nach OLG Karlsruhe liegt eine erhebliche Abweichung von der wirklichen Sach- oder Rechtslage vor, wenn die Stellungnahme des Rechtsanwaltes die Sach- oder Rechtslage gröblich verkennt; "offenbar" ist dies dann der Fall, wenn sich die Unrichtigkeit dem rechtskundigen Rechtsanwalt, sei dies auch nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit hätte aufdrängen müssen. Demgegenüber is...