Rz. 326
Wohnt der Versicherungsnehmer mehr als 100 km Luftlinie vom zuständigen Gericht entfernt und erfolgt eine gerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen, trägt der Rechtsschutzversicherer bei den Leistungsarten gem. § 2 a bis g weitere Kosten für einen im Landgerichtsbezirk des Versicherungsnehmers ansässigen Rechtsanwalt bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwaltes, der lediglich den Verkehr mit dem Prozessbevollmächtigten führt (§ 5 Abs. 1 a S. 2 ARB). Diese zusätzliche Erstattung der Vergütung eines Verkehrsanwalts (Nr. 3400 VV RVG) erfolgt nicht im Disziplinar- und Standes-Rechtsschutz (§ 2 h ARB), im Straf-Rechtsschutz (§ 2 i ARB) und im Ordnungswidrigkeiten-Rechtsschutz (§ 2 j ARB); insoweit gilt ausschließlich § 5 Abs. 1 a S. 1 ARB.
Rz. 327
Die Verkehrsanwaltsgebühr wird übernommen, wenn der Verkehrsanwalt im Landgerichtsbezirk des Versicherungsnehmers ansässig ist und für den Versicherungsnehmer als Verkehrsanwalt tätig geworden ist. Die zusätzliche Leistung des Rechtsschutzversicherers ist auf eine volle Gebühr beschränkt. Fällt beim Verkehrsanwalt auch eine Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV RVG) an, wird sie nicht von der Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers erfasst. Allerdings führt die Entstehung gesetzlicher Gebühren des Haupt- und Unterbevollmächtigten, welche die Leistungen des Rechtsschutzversicherers übersteigen, zu einem Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers (vgl. oben Rdn 93).
Rz. 328
Hinweis
Aufgrund der Formulierung des § 5 Abs. 1 a S. 2 ARB werden lediglich die weiteren Kosten "für einen im Landgerichtsbezirk des Versicherungsnehmers ansässigen Anwalt" übernommen. Das bedeutet, dass kein alternativer Anspruch auf Übernahme von Reiskosten bis zur Höhe der im Falle der Beauftragung eines weiteren Anwalts zu übernehmenden Kosten besteht, wenn der ursprünglich beauftragte Anwalt auswärtige Gerichtstermine selbst wahrnimmt. Dies dürfte seit Aufhebung des Lokalisationsprinzips regelmäßig vorkommen. Insoweit wird sich zwar der Rechtsschutzversicherer einer entsprechenden Absprache in der Regel nicht verschließen. Wegen der Formulierung der Bedingungen ist eine vorherige Abstimmung jedoch zur Vermeidung späterer Streitigkeiten dringend zu empfehlen.
Erst in neueren ARB sowie in Nr. 2.3.1.2 ARB 2012 finden sich entsprechende Individualklauseln, nach denen alternativ auch Reisekosten in gleicher Höhe erstattet werden.
Rz. 329
In der Rechtsprechung wird gelegentlich der Versicherungsschutz, was die Verkehrsanwaltsgebühr in der Rechtsmittelinstanz betrifft, eingeschränkt. Nach AG Osnabrück und LG Göttingen gilt dies für das Berufungs- und Revisionsverfahren, nach LG Fulda zumindest für das Revisionsverfahren. Diese Einschränkung des Versicherungsschutzes wird mit der fehlenden Notwendigkeit der Einschaltung eines Verkehrsanwaltes begründet. Diese Rechtsprechung blieb nicht ohne Kritik und ist abzulehnen. Eine Ausnahme für Rechtsmittelinstanzen – welche ohne weiteres formuliert werden könnte – findet sich in § 5 Abs. 1 a S. 2 ARB nicht, so dass ein entsprechender Ausschluss einer Grundlage entbehrt. Im Übrigen kann auch nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass in Rechtsmittelinstanzen ein am Ort des Versicherungsnehmers ansässiger Verkehrsanwalt nicht erforderlich sei. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass seit der Reform des zivilrechtlichen Berufungsrechts und der damit zusammenhängenden Einschränkung der zweiten Tatsacheninstanz auch bei den Berufungen zunehmend die revisionsrechtliche Überprüfung eines Urteils an Bedeutung gewinnt. Insoweit dürfte gerade eine "Übersetzung" der von den Prozessbevollmächtigten am Ort des zuständigen Rechtsmittelgerichts schriftsätzlich diskutierten Rechts- und Verfahrensfragen für den betroffenen Mandanten durch einen an dessen Ort ansässigen Anwalt seines Vertrauens von Bedeutung sein. Nunmehr hat der BGH klargestellt, dass die ARB nicht an die Notwendigkeit i.S.d. § 91 ZPO anknüpfen, sondern eine uneingeschränkte Zusage einer Erstattung von Verkehrsanwaltskosten bei entsprechender Entfernung der Wohnung des Versicherungsnehmers vom zuständigen Gericht ohne Beschränkung auf bestimmte Instanzen enthalten. Um die Folgen dieser Rechtsprechung zu umgehen, sehen § 5 Abs. 1 a S. 3 ARB 2010 bzw. Nr. 2.3.1.2 ARB 2012 nunmehr neu vor, dass die Kosten eines weiteren Anwalts lediglich in der ersten Instanz übernommen werden.