Rz. 510
Dieses Verfahren (§ 18 ARB 94 bzw. optional § 18 ARB 2000/2008; § 3 a ARB 2010; Nr. 3.4 ARB 2012) löst den Stichentscheid i.S.d. § 17 Abs. 2, 3 ARB 75 ab: Der Rechtsanwalt, der für seinen Mandanten einen Stichentscheid abgibt und damit in aller Regel eine von ihm selbst verfasste Klage etc. zu beurteilen hat, kann nicht in jedem Fall so objektiv wie ein bisher nicht mit der Sache befasster Rechtsanwalt sein.
Rz. 511
Das Schiedsgutachterverfahren wird auf Antrag des Versicherungsnehmers eingeleitet, wenn der Rechtsschutzversicherer den Rechtsschutz abgelehnt hat,
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weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht oder |
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weil in den Fällen des § 2 a bis g die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. |
Rz. 512
§ 18 Abs. 1 S. 1 a ARB 94 stellt eine Definition des Begriffes der Mutwilligkeit dar, wie er in § 1 Abs. 1 S. 1, 2, § 17 Abs. 1 S. 1 ARB 75 verwendet wird.
Rz. 513
Das Schiedsgutachterverfahren kommt also in allen Fällen in Betracht, in denen sich der Rechtsschutzversicherer auf Mutwilligkeit beruft. Wendet der Rechtsschutzversicherer fehlende hinreichende Erfolgsaussicht ein, ist dies in den Leistungsarten des § 2 h bis k ARB nicht relevant (wohl aber in den Fällen des § 2 a bis g ARB); in diesen Fällen hat der Rechtsschutzversicherer Rechtsschutz zu gewähren, auch wenn er keine hinreichende Erfolgsaussicht für seinen Versicherungsnehmer erkennt.
Rz. 514
Will der Rechtsschutzversicherer den Rechtsschutz wegen fehlender Erfolgsaussicht oder wegen Mutwilligkeit ablehnen, muss er dies dem Versicherungsnehmer gem. § 18 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ARB unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitteilen (vgl. Rdn 496). Gleichzeitig hat er den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er innerhalb eines Monats die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Rechtsschutzversicherer verlangen kann (§ 18 Abs. 2 S. 1 ARB). Der Versicherungsnehmer muss zudem aufgefordert werden, innerhalb der Monatsfrist alle für die Durchführung des Verfahrens nach Auffassung des Versicherungsnehmers wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen dem Rechtsschutzversicherer zu übersenden (§ 18 Abs. 2 S. 2 ARB). Der Rechtsschutzversicherer hat den Versicherungsnehmer schließlich gleichzeitig über die Kostenfolgen des Schiedsgutachterverfahrens (§ 18 Abs. 5 ARB) und über die voraussichtliche Kostenhöhe zu informieren (§ 18 Abs. 3 S. 3 ARB). Die Belehrungspflicht gilt auch dann, wenn der Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht nur teilweise verneint.
Rz. 515
Auch die Regelung der Kosten des Schiedsgutachterverfahrens ist eine andere als die des Stichentscheidsverfahrens (§ 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75). Sie ist für den Versicherungsnehmer ungünstiger. Nach § 18 Abs. 5 S. 1 ARB trägt der Rechtsschutzversicherer die gesamten Verfahrenskosten, auch die des Versicherungsnehmers, wenn die Entscheidung des Schiedsgutachters den Standpunkt des Rechtsschutzversicherers ganz oder teilweise nicht bestätigt. War die Leistungsverweigerung des Rechtsschutzversicherers vollständig berechtigt, trägt der Versicherungsnehmer seine eigenen Kosten und die des Schiedsgutachters (§ 18 Abs. 5 S. 2 ARB). In diesem Fall trägt der Rechtsschutzversicherer nur seine eigenen Kosten (§ 18 Abs. 5 S. 3 ARB).
Rz. 516
Entschließt sich der Versicherungsnehmer für das Schiedsgutachterverfahren – was er nicht muss, er kann auch sofort Deckungsklage erheben, wie sich aus § 19 S. 1 ARB ergibt –, hat er hiervon den Rechtsschutzversicherer zu informieren. Innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags hat der Rechtsschutzversicherer das Schiedsgutachterverfahren einzuleiten und den Versicherungsnehmer zu informieren (§ 18 Abs. 3 S. 1 ARB). Leitet der Rechtsschutzversicherer das Verfahren nicht fristgerecht ein, gilt seine Leistungspflicht in dem vom Versicherungsnehmer begehrten Umfang als festgestellt (§ 18 Abs. 3 S. 3 ARB).
Rz. 517
Die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens kann schon in Hinblick auf die dem Rechtsschutzversicherer und dem Versicherungsnehmer eingeräumten Fristen lange dauern. Der Versicherungsnehmer kann dadurch in Fristnot geraten (Berufungsfrist etc.). Ihm wird gem. § 18 Abs. 3 S. 2 ARB geholfen: Sind zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers Fristen zu wahren und entstehen hierdurch Kosten, ist der Versicherer verpflichtet, diese Kosten in dem zur Fristwahrung notwendigen Umfang bis zum Abschluss des Schiedsgutachterverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu tragen.
Rz. 518
Hinweis
Will der Versicherungsnehmer beispielsweise gegen ein Urteil Berufung einlegen und liegt bis zum Ablauf der Berufungsfrist die Entscheidung des Schiedsgutachters noch nicht vor, kann der Versicherungsnehmer fristwahrend Berufung einlegen. Fällt anschließend die Entscheidung des Schiedsgutachters ungünstig aus un...