Rz. 457
§ 15 Abs. 1 d aa ARB 75 und neuerdings wieder § 17 Abs. 1 c bb 4. Spiegelstrich ARB 2010 sehen vor, dass der Versicherungsnehmer, soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden, vorab nur einen angemessenen Teil seiner Ansprüche einklagen und die etwa nötige gerichtliche Geltendmachung des Restanspruches bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Teilansprüche zurückstellen soll. Die ARB 94/2000/2008/2012 sehen eine solche Obliegenheit nicht vor; sie kann sich aber aus der Obliegenheit ergeben, unnötige Kosten zu vermeiden (§ 17 Abs. 5 c cc ARB bzw. Nr. 4.1.1.4 ARB 2012).
Die Bedeutung der Obliegenheit des § 15 Abs. 1 d aa ARB 75 ist in der Praxis gering. Die Rechtsprechung ist zu Recht sehr zurückhaltend. Das OLG Hamm hat zu dieser Obliegenheit zugunsten des Versicherungsnehmers sehr weit gehende Ausführungen gemacht: "Ob ein Versicherter sich nach § 15 Abs. 1 d aa ARB 75 darauf verweisen lassen muss, zunächst nur einen Teil der Ansprüche einzuklagen, ist danach zu beurteilen, wie sich ein Nichtrechtsschutzversicherter, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, verhalten würde."
Rz. 458
Hinweis
Die in jüngster Zeit zu beobachtende Praxis einiger Rechtsschutzversicherer, bei – z.B. aufgrund einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung – in die Zukunft reichenden Leistungsansprüchen die Deckung lediglich auf die Geltendmachung des bereits aufgelaufenen rückständigen Leistungsteils zu beschränken, entbehrt aufgrund der Unwirksamkeit des § 17 Abs. 5 c cc ARB sowie der zu Recht restriktiven Anwendung des § 15 Abs. 1 aa ARB 75 durch die Rechtsprechung einer Grundlage in den ARB. Vielmehr gilt grundsätzlich, dass bei behauptetem Bestehen (auch) künftiger Leistungen bei Vorliegen entsprechender Erfolgsaussichten Rechtsschutz zu gewähren ist. Auch einer drohenden Verjährung oder eines drohenden Fristablaufs bedarf es insoweit nicht als Voraussetzung eines vollständigen Deckungsanspruchs.
Rz. 459
Gelegentlich wird im Bereich des Arbeits-Rechtsschutzes die Auffassung vertreten, im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei die sofortige Erteilung eines Klagauftrages in der Regel der kostengünstigste Weg zur Bearbeitung eines arbeitsrechtlichen Mandats, so dass der Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit eine unnötige Kostenerhöhung und damit eine Obliegenheitsverletzung darstelle. Diese Auffassung ist in dieser Allgemeinheit abzulehnen. Selbstverständlich muss es dem anwaltlich beratenen Versicherungsnehmer im Einzelfall überlassen bleiben, über den im konkreten Fall sinnvollen Weg selbst zu entscheiden. Soweit er eine gerade mit dem Ziel der Klagevermeidung geführte außergerichtliche Tätigkeit wünscht, um sich erst im Falle ihrer Erfolglosigkeit für einen Klagauftrag zu entscheiden, kann nicht per se von einer vermeidbaren Kostenerhöhung ausgegangen werden. Der BGH hat dies höchstrichterlich bestätigt. Allerdings enthält § 17 Abs. 1 c bb letzter Spiegelstrich ARB 2010 eine explizit auf diese Fallgruppe zugeschnittene Obliegenheit, wonach dem Rechtsanwalt ggf. ein sofortiger Klagauftrag zu erteilen ist. Die AGB-rechtliche Zulässigkeit dürfte vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung höchst fraglich sein. Soweit im Arbeitsrecht noch weitergehend z.B. die Deckungspflicht hinsichtlich eines Weiterbeschäftigungsantrags als nicht erforderlich angesehen wird, ist dies abzulehnen.