Rz. 491
Lehnt der Rechtsschutzversicherer aus einem dieser beiden Gründe den Rechtsschutz ab, gelten Besonderheiten.
1. Ablehnungsvoraussetzungen
Rz. 492
§ 1 Abs. 1 S. 1, 2 ARB 75 bestimmt in einer allgemeinen Einleitungsnorm, dass der Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers voraussetzt, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen hinreichende Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig ist. Die ARB 94 enthalten eine solche Regelung nicht, sie setzen dies in § 18 Abs. 1 ARB 94 vielmehr voraus. § 3 a Abs. 1 ARB 2010 bzw. Nr. 3.4.1 ARB 2012 stellen diese Voraussetzung nunmehr wieder ausdrücklich klar. Nachfolgend wird daher davon ausgegangen, dass auch im Rahmen der ARB Voraussetzung für eine unter den Rechtsschutz fallende Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers die hinreichende Erfolgsaussicht und fehlende Mutwilligkeit ist.
Rz. 493
Wann liegen hinreichende Erfolgsaussichten und fehlende Mutwilligkeit vor? Es sind zwei Begriffe, die schon in § 114 ZPO als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe genannt werden. Sie sind im Rahmen der Rechtsschutzversicherung so wie i.S.d. § 114 ZPO auszulegen.
Rz. 494
Hinweis
Entgegen der Praxis vieler Instanzgerichte ist stets erneut darauf hinzuweisen, dass nach der – auf die Erfolgsaussichten bei der Rechtsschutzversicherung zu übertragenden – Rechtsprechung des BGH schwierige Tat- und Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren abzuhandeln sind, sondern in diesen Fällen Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.
Speziell bei einem beabsichtigten Arzthaftungsprozess sind die haftungsrechtlich geltenden prozessualen Grundsätze der niedrigen Anforderungen an die Substanziierung auch im Rahmen der versicherungsrechtlichen Erfolgsaussichtenprüfung zu berücksichtigen, so dass auf Patientenseite ein Vortrag genügt, der lediglich die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Der Versicherungsnehmer ist insoweit weder zu Rechtsausführungen oder Rechtsprechungsnachweisen verpflichtet noch trifft ihn eine Pflicht, dem Rechtsschutzversicherer solche Tatsachen mitzuteilen, deren Erarbeitung fachmedizinische Kenntnisse voraussetzt. Erst recht besteht keine Pflicht einer vorprozessualen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) oder der Veranlassung eines Verfahrens vor der Gutachter- oder Schlichtungsstelle der Landesärztekammer. Zu den Erfolgsaussichten im sog. Pkw-Dieselskandal vergleiche die zahlreichen Entscheidungen der Instanzgerichte, welche überwiegend eine großzügige Beurteilung nahelegen.
Rz. 495
§ 18 Abs. 1 a ARB bzw. Nr. 3.4.1.2 ARB 2012 enthalten nunmehr eine spezielle Definition der Mutwilligkeit: Mutwilligkeit liegt vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Eine Mutwilligkeit ist z.B. nicht anzunehmen, wenn ein Versicherungsnehmer gleichzeitig mehrere sog. Kapazitätsklagen gegen Universitäten auf Zulassung zum Studium erhebt, jedenfalls bei zehn Verfahren.
Rz. 496
Will der Rechtsschutzversicherer wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit die Deckung ablehnen, muss er dies schriftlich unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Versicherungsnehmer mitteilen (§ 18 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ARB bzw. Nr. 3.4.1 ARB 2012). Die dem Rechtsschutzversicherer zur Verfügung stehende Bescheidungsfrist beträgt zwei bis drei Wochen; sie beginnt erst mit vollständiger Informationserteilung. Versäumt der Rechtsschutzversicherer diese Frist, kann er sich auf fehlende Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit nicht mehr berufen. Wie der BGH inzwischen unter Aufgabe seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung entschieden hat, kann der Rechtsschutzversicherer sich das Recht auf Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussichten auch dann nicht wirksam vorbehalten, wenn er die Leistung aus anderen Gründen ablehnt.
Rz. 497
Für den Fall der (rechtzeitigen) Deckungsablehnung schreibt § 128 S. 1 VVG vor, dass der Rechtsschutzversicherungsvertrag zugunsten des Versicherungsnehmers ein Gutachterverfahren oder ein vergleichbar objektives anderes Verfahren vorsehen müsse. Solche Verfahren sind der Stichentscheid gem. § 17 ARB 75 und das Schiedsgutachterverfahren nach § 18 ARB. Obwohl das Stichentscheidsverfahren als objektives Verfahren i.S.d. § 128 S. 1 VVG anerkannt ist, bestehen Zweifel, ob – wie beim Stichentscheid vorgesehen – der vom Versicherungsnehmer mit der Interessenwahrnehmung beauftragte Rechtsanwalt tatsächlich die zur Abgabe einer objektiven Stellungnahme geeignete Person ist, da auch Gebühreninteressen des Anwalts betroffen sind.
Rz. 498
Hinweis
Nach § 128 S. 2 VVG, § 18 Abs. 2 S. 1 ARB muss der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsnehmer in der Deckungsablehnung auf dieses Verfahren hinweisen. Unterbleibt der Hinweis, gilt das Rechtsschutzbegeh...