Rz. 421
Erstreckt sich der Versicherungsfall über einen Zeitraum (Dauerverstoß), ist dessen Beginn maßgeblich (§ 4 Abs. 2 S. 1 ARB bzw. Nr. 2.4.4 ARB 2012), so z.B. der Abschluss des Untermietvertrages bei dauerhafter unzulässiger Untervermietung; der Zeitpunkt der ersten verweigerten Pachtzahlung, wenn eine Vertragsauflösung behauptet wird; die Vermietung einer mangelhaften Wohnung. Liegt dieser Zeitpunkt vor dem Beginn des Versicherungsschutzes (§ 4 Abs. 1 S. 2 ARB), besteht insgesamt kein Rechtsschutz. Bei einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des rechtsschutzversicherten Mieters gegen seinen Vermieter wegen Wasserschäden, die auf einem Mangel in der Dachabdeckung beruhen, soll der für die Bestimmung des Rechtsschutzfalls maßgebliche Vorwurf des Versicherungsnehmers darin liegen, dass der Vermieter trotz Aufforderung zur Mängelbeseitigung untätig geblieben ist, und nicht erst im Zeitpunkt des Schadeneintritts. Der Rechtsschutzfall erstrecke sich hier über einen Zeitraum, so dass dessen Beginn maßgeblich sei.
Rz. 422
Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers mehrere Versicherungsfälle ursächlich, so ist der erste entscheidend, wobei jedoch Versicherungsfälle außer Betracht bleiben, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten sind (§ 4 Abs. 2 S. 2 ARB). Die Nichtberücksichtigung von Versicherungsfällen, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, ist in Nr. 2.4.5 ARB 2012 entfallen. Durch diese Regelung soll der Rechtsschutz für bereits aufgrund früherer Rechtsverstöße "schwelende" Konflikte ausgeschlossen werden, wenn ein späterer Verstoß sozusagen "das Fass zum Überlaufen bringt". Kommt also etwa im Rahmen des Arbeits-Rechtsschutzes (§ 2 b ARB) der Versicherungsnehmer als Arbeitnehmer mehrmals unentschuldigt verspätet zur Arbeit und kündigt der Arbeitgeber schließlich deshalb das Arbeitsverhältnis, ist Versicherungsfall der erstmalig unentschuldigt verspätete Arbeitsbeginn. Ebenfalls zwei Rechtsschutzversicherungsfälle sollen vorliegen, wenn bei der Geltendmachung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung wegen Falschangaben im Versicherungsantrag und der Versicherungsnehmer seinem Versicherer eine unberechtigte Leistungsablehnung vorwirft.
Hinweis
Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 18-Punkte-Grenze (seit dem 1.5.2014: 8-Punkte-Grenze nach dem Fahreignungsregister) stellt jede begangene Verkehrsordnungswidrigkeit bzw. Straftat einen selbstständigen Versicherungsfall dar, so dass gem. § 4 Abs. 2 S. 2 ARB Rechtsschutz nur besteht, wenn der erste der für die Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Verstöße innerhalb des versicherten Zeitraums liegt. Zu beachten ist allerdings die Nichtberücksichtigung von Taten, die ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes liegen (§ 4 Abs. 2 S. 2 ARB; anders Nr. 2.4.5 ARB 2012).
Rz. 423
Voraussetzung der Berücksichtigung eines früheren Versicherungsfalls ist allerdings, dass dieser noch Bedeutung für den späteren Konflikt hat, also diesen zumindest adäquat kausal mitverursacht hat, so dass z.B. bei einer Abänderungsklage lediglich die Umstände heranzuziehen sind, welche die Abänderung rechtfertigen sollen. An einer Mitursächlichkeit in diesem Sinne fehlt es, wenn sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess lediglich zur "Illustration" auf frühere Verstöße des Arbeitnehmers beruft (sog. rechtlich unerhebliches "Kolorit").
Rz. 424
Insbesondere im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen gibt es eine Reihe von Fällen, bei denen ein Verstoß der einen oder anderen Seite zwar nicht ununterbrochen andauert, sich jedoch in gewissen zeitlichen Abständen in gleichartiger oder ähnlicher Weise wiederholt. Bei der in diesen Fällen erforderlichen Abgrenzung zwischen Einzel- und Dauerverstoß kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an. Hierbei ist zu würdigen, ob die sich wiederholenden Einzelakte Teil eines einheitlichen Gefahrverwirklichungsvorgangs im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit sind (dann Dauerverstoß), wofür spricht, wenn der Versicherungsnehmer nach Sachlage aufgrund des früheren Verstoßes bereits mit weiteren Verstößen rechnen musste. Der reine Vertragsschluss führt bei einem Dauerschuldverhältnis grundsätzlich noch nicht zu einem Versicherungsfall. Anders ist es allerdings, wenn bereits die Entstehung des Schuldverhältnisses mit einem Verstoß belastet ist, etwa wenn es um die Frage geht, ob ein Vertrag wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften nichtig ist, ein Willensmangel zum Vertragsschluss geführt hat oder ein Verstoß gegen Formvorschriften vorliegt. In diesen Fällen ist bereits die Entstehung des Vertrags mit dem Keim des zukünftigen Rechtskonflikts belastet und daher ein Versicherungsfall anzunehmen, wenn später die Unwirksamkeit bzw. das Nichtzustandeko...