Rz. 102
Dem Versicherungsnehmer – Vertragspartner des Rechtsschutzversicherers – stehen die Ansprüche aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu (vgl. § 1 S. 1 VVG); er ist zur Zahlung der Prämie verpflichtet (§ 1 S. 2 VVG) und ihn treffen die nach VVG und ARB zu erfüllenden Obliegenheiten. Wie in vielen anderen Versicherungszweigen besteht auch für die Rechtsschutzversicherung in der Praxis ein Bedürfnis, andere Personen – neben dem Versicherungsnehmer – in den Schutz der Rechtsschutzversicherung einzubeziehen. Anderenfalls müssten sich diese Personen zusätzlich versichern, was nicht praktikabel und häufig auch nicht möglich wäre. Die §§ 43 ff. VVG sehen deshalb die Möglichkeit einer "Versicherung für fremde Rechnung" vor. Der Versicherungsnehmer kann im eigenen Namen die Versicherung auch für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, nehmen (§ 43 Abs. 1 VVG). Diese "andere Person" nennt man "mitversicherte Person" oder "Versicherten". Die rechtliche Stellung der mitversicherten Person ist in den §§ 43 bis 48 VVG geregelt, die verschiedenen AVB sehen jedoch häufig abweichende Regelungen vor. Im Rahmen der Rechtsschutzversicherung ist § 15 ARB bzw. Nr. 2.1.2 ARB 2012 einschlägig.
Rz. 103
Alle Formen der Rechtsschutzversicherung (§§ 21 bis 29 ARB) sehen mitversicherte Personen vor (§ 15 Abs. 1 S. 1 ARB bzw. Nr. 2.1.2 ARB 2012), § 29 ARB allerdings nicht ausdrücklich. Bekannteste Beispiele mitversicherter Personen sind im Rahmen des Privat-Rechtsschutzes der Ehegatte des Versicherungsnehmers (oder sein im Versicherungsschein genannter nichtehelicher Lebenspartner), die minderjährigen und unverheirateten volljährigen Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, letztere jedoch längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie erstmalig eine auf Dauer angelegte berufliche Tätigkeit ausüben und hierfür ein leistungsbezogenes Entgelt erhalten (z.B. §§ 23 Abs. 1, 2; 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 a, b ARB; Nr. 2.1.2 ARB 2012).Weitere mitversicherte Personen sind die Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers im Rahmen des Berufs-Rechtsschutzes für Selbstständige (§ 24 Abs. 1 a S. 2 ARB; § 27 Abs. 2 g ARB bzw. Nr. 2.1.2 ARB 2012).
Rz. 104
Die mitversicherten Personen können in Abweichung von § 45 Abs. 1 VVG ihren Anspruch auf Versicherungsschutz selbstständig geltend machen, sind also auch für eine Deckungsklage aktivlegitimiert (vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 ARB bzw. Nr. 2.1.2 ARB 2012). Der Versicherungsnehmer kann nach § 15 Abs. 2 S. 2 ARB bzw. Nr. 2.1.2 ARB 2012 allerdings widersprechen, wenn eine andere mitversicherte Person als sein ehelicher Lebenspartner Rechtsschutz verlangt. Der Rechtsschutzversicherer muss diesen Widerspruch beachten und ist nicht berechtigt, der mitversicherten Person Rechtsschutz zu gewähren. Solange der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, kann die mitversicherte Person ihren Versicherungsanspruch beim Rechtsschutzversicherer des Versicherungsnehmers geltend machen und auch klageweise durchsetzen. Die Geltendmachung des Widerspruchs durch den Versicherungsnehmer kann im Einzelfall pflichtwidrig sein (§ 242 BGB). Gibt der Rechtsschutzversicherer zugunsten der mitversicherten Person eine Deckungszusage ab, legt er sich hinsichtlich seiner Leistungspflicht auf diese fest. Bei einer gleichwohl an den Versicherungsnehmer erfolgenden Zahlung verstößt er gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich auf dessen gleichermaßen bestehende Verfügungsbefugnis beruft.
Hinweis
Diese Rechtslage erfährt durch die in § 3 Abs. 4 a und b ARB bzw. Nr. 3.2.17 ARB 2012 geregelten Risikoausschlüsse eine erhebliche Einschränkung, die Versicherungsnehmer in der Praxis häufig übersehen. Hiernach sind Streitfälle zwischen mehreren Versicherungsnehmern desselben Rechtsschutzversicherungsvertrages untereinander, mitversicherter Personen untereinander und mitversicherter Personen gegen den Versicherungsnehmer (nicht aber umgekehrt) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 3 Abs. 4 a ARB). Es besteht ferner kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen nichtehelicher Lebenspartner untereinander in ursächlichem Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, auch nach deren Beendigung, § 3 Abs. 4 b ARB bzw. Nr. 3.2.18 ARB 2012 (vgl. hierzu Rdn 223 ff.).
Rz. 105
§ 11 Abs. 2 S. 1 ARB 75 sieht eine andere Regelung vor. Die Ausübung der Rechte der mitversicherten Personen steht hiernach ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu (entsprechend § 45 Abs. 1 VVG). Der Rechtsschutzversicherer ist berechtigt – aber nicht verpflichtet –, den mitversicherten Personen Versicherungsschutz zu gewähren, solange der Versicherungsnehmer nicht widerspricht (§ 11 Abs. 2 S. 2 ARB 75). Diese Regelung kann zu Problemen für die mitversicherten Personen führen. Der Mitversicherte kann den Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht zwingen, seine – des Mitversicherten – Rechte geltend zu machen. Verfolgt der Versicherungsnehmer den Anspruch der mitversicherten Personen nicht ...