Rz. 222

Wurde ein Versäumnisurteil erlassen, so steht der säumigen Partei in erster Instanz nach § 338 ZPO, in der Berufungsinstanz nach § 539 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 338 ZPO, der Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu. Auf die Möglichkeit des Einspruches ist die Partei hinzuweisen, § 338 S. 2 ZPO. Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 338 S. 2 ZPO hindert nur den Beginn der Einspruchsbegründungsfrist, nicht jedoch der Einspruchsfrist.[165] Der Rechtsstreit wird auf einen zulässigen Einspruch nach § 342 ZPO in den Stand vor der Säumnis versetzt.

 

Rz. 223

Nach einer "Flucht in die Säumnis" ist der Anwalt grundsätzlich verpflichtet, auch ohne ausdrückliche Weisung des Mandanten Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Hält er demgegenüber nach eingehender Prüfung der Erfolgsaussichten eine Fortsetzung des Verfahrens für aussichtslos und damit nur Kosten verursachend, hat er rechtzeitig vor Fristablauf mit dem Mandanten Rücksprache zu halten und dessen Entscheidung einzuholen.[166] Dies gilt umso mehr, wenn sich die Säumnis im konkreten Einzelfall als die kostengünstigste Möglichkeit darstellt, den Rechtsstreit zu beenden.

 

Rz. 224

 

Hinweis

Da die säumige Partei nach § 344 ZPO die Säumniskosten zu tragen hat, sollte die "Flucht in die Säumnis" nur dann angetreten werden, wenn tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass der Prozess nachfolgend erfolgreich geführt werden kann.

 

Rz. 225

Nach § 339 Abs. 1 ZPO ist der Einspruch binnen einer Notfrist von zwei Wochen, beginnend mit der Zustellung des Versäumnisurteils, einzulegen.

 

Rz. 226

 

Hinweis

Ist die Zustellung im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung zu bewirken, so muss die Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO im Versäumnisurteil oder durch einen nachträglichen Beschluss durch das Gericht bestimmt werden. Der Bevollmächtigte der nicht säumigen Partei sollte hierauf Einfluss nehmen und eine angemessene, jedoch auch nicht übermäßig lange Frist vorschlagen. Regelmäßig wird eine Frist von einem Monat ausreichend sein.

 

Rz. 227

 

Achtung!

Im Arbeitsgerichtsprozess beträgt die Einspruchsfrist nach § 59 S. 1 ArbGG lediglich eine Woche.

 

Rz. 228

Hat die Partei oder der Bevollmächtigte die Einspruchsfrist ohne Verschulden versäumt oder ist ein solches Verschulden nicht kausal für die Fristversäumung geworden,[167] so kann er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,[168] d.h. in die Einspruchsfrist nach §§ 233 ff. ZPO beantragen. Dabei muss er zugleich den Einspruch einlegen und weitere Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 340 Abs. 3 ZPO vortragen.

 

Rz. 229

 

Hinweis

Die mangelnde Kenntnis der öffentlichen Zustellung eines Versäumnisurteils ist nach Ansicht des LG Frankfurt/M. in Kenntnis einer bevorstehenden gerichtlichen Auseinandersetzung nur dann unverschuldet, wenn die Partei sichergestellt hat, dass gerichtliche Verfügungen sie erreichen.[169]

 

Rz. 230

Der Einspruch ist das einzig zulässige Rechtsmittel gegen ein erstes echtes Versäumnisurteil.

 

Rz. 231

 

Hinweis

Auch wenn das Versäumnisurteil unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften ergangen ist, muss hiergegen mit einem Einspruch vorgegangen werden.[170] Die §§ 719, 707 ZPO erlauben dann aber eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung.[171]

 

Rz. 232

Der Einspruch ist nach § 340 ZPO grundsätzlich schriftlich bei dem Prozessgericht einzulegen. § 340 Abs. 2 ZPO verlangt dabei, dass die Einspruchsschrift das Urteil bezeichnet,[172] gegen das der Einspruch gerichtet wird, und die Erklärung enthält, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt wird.

 

Rz. 233

 

Hinweis

Ist der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ohne Vollmacht eingelegt worden, wird der Vertretungsmangel mit rückwirkender Kraft geheilt, wenn der Vertretene ihn genehmigt, bevor über diesen durch Urteil entschieden ist. Eine solche Genehmigung kann darin liegen, dass der Vertretene vor Erlass des Prozessurteils eine Prozessvollmacht erteilt.[173] Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil kann auch mit einem Telefax eingelegt werden. Für das Schriftformerfordernis genügt es bei einem Fax, wenn sich aus diesem ansonsten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ergibt, von wem die Erklärung herrührt, und dass kein bloßer Entwurf vorliegt. Dann ist es ausreichend, dass der Name des Einspruchsführers nur maschinenschriftlich geschrieben ist.[174]

 

Rz. 234

Zulässig ist es auch, das Urteil lediglich teilweise mit einem Einspruch anzugreifen, was den Vorteil hat, dass sich wegen der weiteren Gebühren der Streitwert verringert. Erforderlich ist dabei allerdings, dass der Teil, auf den sich der Einspruch beziehen soll, wie bei einem Teilurteil hinreichend bestimmt abgegrenzt wird.

 

Rz. 235

§ 340 Abs. 3 ZPO erlaubt, dass mit der Einspruchsschrift, d.h. ebenfalls in der Notfrist von zwei Wochen, (neue) Angriffs- und Verteidigungsmittel und auf die Prozessvoraussetzungen bezogene Rügen vorgetragen werden, was den Vorteil der "Flucht in die Säumnis" ausmacht. Diese Angriffs- und Verteidigungsmittel können dann nicht präkludiert werden. Dem kom...

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