Rz. 140
§ 2217 Abs. 1 BGB regelt lediglich den Fall der vorzeitigen Herausgabe/Freigabe von Nachlassgegenständen auf Verlangen des Erben. Danach hat der Testamentsvollstrecker dem Erben auf sein Verlangen die Nachlassgegenstände zur freien Verfügung zu überlassen, derer er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten nicht bedarf (vgl. Muster Rdn 158). Nachdem die Vorschrift des § 2217 BGB nicht in § 2220 BGB genannt ist, kann der Erblasser den Testamentsvollstrecker von der Überlassungsverpflichtung befreien. Der Testamentsvollstrecker kann aber mit Zustimmung der Erben und Vermächtnisnehmer Nachlassgegenstände unter Nichtbeachtung der Schranken des § 2217 Abs. 1 S. 1 BGB und damit auch ohne Rücksicht auf den Erblasserwillen freigeben. Mehrere Erben müssen den Anspruch jedoch gemeinsam geltend machen, weil diese Geltendmachung den Charakter einer Verfügung über den verlangten Gegenstand hat (§ 2040 BGB).
Rz. 141
Die Erfüllung der Verpflichtung zur Freigabe von Nachlassgegenständen aus § 2217 Abs. 1 S. 1 BGB kann durch die Erben im Klagewege erzwungen werden (vgl. Muster Rdn 160). Wann der Testamentsvollstrecker zur Freigabe verpflichtet ist, richtet sich danach, welche Gegenstände für ihn bei der Durchführung seiner Aufgabe entbehrlich sind. So benötigt er vor allem die Nachlassgegenstände, mit denen er Auflagen und Vermächtnisse zu erfüllen hat, sowie die Mittel, die er zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten braucht.
Rz. 142
Bei der Abwicklungsvollstreckung nach § 2203 BGB, bei Mehrheit von Erben auch bei der Auseinandersetzungsvollstreckung nach § 2204 BGB, benötigt er zunächst alle die Nachlassgegenstände, die er zur Ausführung der Verfügungen i.S.d. § 2203 BGB benötigt, sowie bei der Auseinandersetzung alle Nachlassgegenstände bis zur Schlussverteilung.
Rz. 143
Im Falle der Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 S. 1 Hs. 1 BGB oder Dauervollstreckung nach § 2209 S. 1 Hs. 2 BGB ist eine Freigabe von Gegenständen ausgeschlossen.
Rz. 144
Zur Freigabe der Gegenstände ist der Testamentsvollstrecker nach dem Wortlaut des § 2217 BGB zudem nur verpflichtet, wenn der herausverlangte Gegenstand "offenbar" nicht mehr zur Erfüllung der Obliegenheiten benötigt wird. Dies bedeutet, dass "ohne große Nachforschungen und Beweiserhebungen erkennbar sein muss, dass bei vernünftiger Betrachtungsweise der Gegenstand für die Erfüllung der Testamentsvollstreckeraufgaben in ihrer konkreten Anordnung keine Rolle mehr spielen wird".
Rz. 145
Verweigert der Testamentsvollstrecker die Freigabe eines Nachlassgegenstandes nach § 2217 BGB, so ist er nach herrschender Auffassung persönlich und nicht als Amtsträger im Klagewege in Anspruch zu nehmen, da um sein Verwaltungsrecht gestritten wird. Er hat folglich auch bei Unterliegen die Prozesskosten persönlich zu tragen, kann sie also nicht dem Nachlass entnehmen. Dieser Auffassung wird jedoch vermehrt entgegengetreten, wobei eingewandt wird, dass es sich bei der Freigabe um eine Amtshandlung handelt, darüber hinaus auch aus den Wirkungen eines Vollstreckungstitels zwingend ein Titel gegen den Testamentsvollstrecker vorliegen muss, da dieser auch Wirkung gegenüber einem Nachfolger zeigen muss sowie zur Herausgabevollstreckung in den Nachlass erforderlich ist. Folgt man dieser entgegengesetzten Auffassung, so wird man jedoch bei einer völlig grundlosen Weigerung des Testamentsvollstreckers über den Umweg des Schadensersatzanspruchs nach § 2219 BGB dann doch zu einer persönlichen Haftung des Testamentsvollstreckers in Höhe der Prozesskosten kommen.
Rz. 146
Hinsichtlich der Herausgabe von Nutzungen aus einem Nachlassgegenstand handelt es sich nach allgemeiner Ansicht nicht um eine Frage des § 2217 BGB, vielmehr ist die Herausgabepflicht an den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB zu messen.