(1) Rechtsschutz für "Verteidigung"
Rz. 334
Beim Straf-Rechtsschutz gem. § 2 i ARB ist zu berücksichtigen, dass danach von vornherein Rechtsschutz nur für die Verteidigung gewährt wird. Das bedeutet zunächst, dass jegliche aktive Strafverfolgung (Nebenkläger-, Privatkläger-, Verletztenvertretung, Zeugenbeistand etc.) ausscheidet. Ausnahmen gibt es insoweit in Individualklauseln einzelner Versicherer für bestimmte Delikte. Zudem setzt eine Verteidigung begrifflich voraus, dass (bereits) ein Strafverfahren i.S.d. § 152 StPO gegen den Mandanten als Beschuldigten anhängig ist.
Rz. 335
Beachte
Im Falle einer lediglichen Zeugenanhörung des Mandanten (z.B. als Halter) besteht bedingungsgemäß kein Rechtsschutz, auch nicht für die Beratung.
(2) Abgrenzung verkehrsrechtlicher und sonstiger Vergehen
Rz. 336
Der Straf-Rechtsschutz gem. § 2 i ARB ist unterteilt nach verkehrsrechtlichen und nicht verkehrsrechtlichen Vergehen. Bei den verkehrsrechtlichen Vergehen – die hier allein relevant sind – gibt es gem. § 2 i aa ARB einen weiter gehenden Versicherungsschutz. Zu berücksichtigen ist, dass unter den Rechtsschutz für "verkehrsrechtliche Vergehen" i.S.d. § 2 i aa ARB nicht nur die Verletzung der Vorschriften fällt, die der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs (auch Luft-, Schiffsverkehr) dienen, sondern auch die Verletzung an sich nicht-verkehrsrechtlicher Delikte in Betracht kommen kann, wie z.B. die Nötigung gem. § 240 StGB.
Rz. 337
Merke
Ein Delikt des allgemeinen Strafrechts fällt immer dann unter den privilegierten Rechtsschutz für "verkehrsrechtliche Vergehen", wenn es mit einem verkehrsrechtlichen Delikt (auch Ordnungswidrigkeit) in Tateinheit zusammentrifft, soweit ein "innerer Zusammenhang" des allgemeinen Delikts mit dem Verkehrsdelikt besteht.
Diese Unterscheidung ist für die Praxis wichtig, denn bei "sonstigen Vergehen" besteht gem. § 2 i bb ARB für ausschließlich vorsätzlich strafbare Delikte kein Rechtsschutz unabhängig von der Berechtigung des Tatvorwurfs und vom Ausgang des Verfahrens.
Rz. 338
Klassischer Beispielsfall ist der "Drängler" auf der Autobahn. Bei diesem fällt auch die Verteidigung gegen den Vorwurf der Nötigung in den Rechtsschutz gem. § 2 i aa ARB, da die Nötigung in Tateinheit und in einem inneren Zusammenhang zu entsprechenden verkehrsrechtlichen Delikten steht (§§ 315c, 315b StGB, jedenfalls Ordnungswidrigkeiten nach StVG wegen Verstoßes gegen Vorschriften der StVO).
(3) Rechtsschutz bei den verkehrsrechtlichen Vergehen gem. § 2 i aa ARB
Rz. 339
Bei den verkehrsrechtlichen Vergehen ist der Rechtsschutz wie folgt geregelt:
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Zunächst besteht Rechtsschutz unabhängig vom Schuldvorwurf (also auch z.B. beim Vorwurf des § 142 StGB). |
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Bei rechtskräftiger Feststellung einer Vorsatztat (auch gegeben z.B. bei Verwarnung unter Strafvorbehalt gem. § 59 StGB oder Absehen von Strafe gem. § 60 StGB, nicht jedoch bei Einstellung gem. § 153a StPO) sind gem. § 2 i aa S. 2 ARB Leistungen durch den Versicherungsnehmer an den Versicherer zu erstatten. |
Rz. 340
Tipp
Wegen des Vorsatzvorbehalts besteht für den Anwalt eine besondere Bedeutung der Vorschussanforderung gem. § 9 RVG!
Sollte es für den Anwalt ohne vorherige rechtzeitige Vorschussanforderung überraschend in der Hauptverhandlung zu einer Verurteilung wegen Vorsatzes kommen, kann noch durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Rechtskraft verhindert und damit der Rechtsschutzanspruch "gerettet" werden. Sodann können noch die Kosten der ersten Instanz gegenüber dem Rechtsschutzversicherer abgerechnet und ein Vorschuss für das Rechtsmittelverfahren angefordert werden.
(4) Rückforderungsvorbehalt bei rechtskräftiger Verurteilung wegen Vorsatzes
Rz. 341
Hinsichtlich des Rückforderungsvorbehalts bei Verurteilung wegen Vorsatzes gem. § 2 i aa S. 2 ARB wird häufig übersehen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der vertraglichen Erstattungsregelung nicht stets sämtliche Kosten zurückzuerstatten sind, sondern nur diejenigen Kosten, die der Rechtsschutzversicherer "für die Verteidigung wegen des Vorwurfs eines vorsätzlichen Vergehens getragen hat".
Rz. 342
Beispiel
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 2 StGB und erhebt schließlich Anklage. In der Hauptverhandlung wendet sich die Beweisaufnahme, sodass das Gericht nach den Plädoyers einen rechtlichen Hinweis i.S.d. § 265 StPO erteilt, wonach auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt. Der Versicherungsnehmer wird sodann wegen einer (vorsätzlichen) Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt.
Rz. 343
In diesem Beispielsfall sind nur die nach Umstellung des Vorwurfes von Fahrlässigkeit auf Vorsatz entstandenen Kosten durch den Versicherungsnehmer zu erstatten, wegen der späten Umstellung des Vorwurfs also keine abgrenzbaren Kosten. Auch nach der abweichenden Formulierung in § 20 Abs. 4 ARB 75 (danach sind die Leistungen zu erstatten, "die der Versicherer für ihn erbracht hat, nachdem dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Verhalten zur Last gelegt wurde") gilt im Ergebnis ebenfalls, dass der Rechtsschutz erst ex nunc ab Umstellung des Vorwurfes auf Vorsatz entfällt (so für die ARB 75 bereits Prölss/Martin-P...