Dr. iur. Karl-Peter Pühler
Rz. 47
Das BAG hat keine abschließende Stellung zu Fragen des Anspruchsinhalts und der damit im Zusammenhang stehenden Rückabwicklung des Weiterbeschäftigungsverhältnisses bezogen. Fest steht, dass auch der allgemeine Beschäftigungsanspruch maximal soweit reichen kann wie die Rechte und Pflichten aus dem "alten" Arbeitsverhältnis, es sei denn, die Parteien vereinbaren privatautonom Abweichendes. Auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch geht damit nicht weiter als die Rechtspositionen, die der Arbeitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis hatte. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers besteht ebenso fort wie es auch möglich ist, den Arbeitnehmer unter den allgemeinen Voraussetzungen freizustellen und zu versetzen. Das Problem der Rückabwicklung stellt sich, wenn die Kündigungsschutzklage letztinstanzlich abgewiesen, das Arbeitsverhältnis im Vergleichswege rückwirkend beendet oder das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsurteil gem. § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KSchG zu einem früheren Zeitpunkt als dem Beendigungszeitpunkt des WBA aufgelöst wird. In diesen Fällen ist hinsichtlich der Rückabwicklungsregeln danach zu differenzieren, ob das Weiterbeschäftigungsverhältnis in der Zwischenzeit parteiautonom einvernehmlich fortgesetzt wurde oder ob der Arbeitnehmer lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung (weiter)beschäftigt wurde. Wenn rechtskräftig feststeht, dass die Kündigung unwirksam ist, dann hat das Arbeitsverhältnis fortbestanden. Haben sich für die Zeit der vereinbarten/erzwungenen Weiterbeschäftigung in der Abwicklung Unterschiede zum ursprünglichen Arbeitsverhältnis ergeben, steht dem Arbeitnehmer ein entsprechender Differenzanspruch zu. Haben die Parteien aber während des Weiterbeschäftigungszeitraums die Inhalte des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zur Anwendung gebracht, hat der Arbeitnehmer i.d.R. ohnehin das Gleiche erhalten, was er auch während des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses bekommen hätte.
Rz. 48
Nach der Auffassung des BAG ist der allgemeine WBA auf rein tatsächliche (vertragsgemäße) Weiterbeschäftigung gerichtet. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung soll nicht bestehen. Es soll dem Arbeitnehmer freistehen, ob er von der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Gebrauch macht oder nicht. Fordert hingegen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach der Verurteilung zum Arbeitsantritt auf, dann ist regelmäßig im Nichtantritt der Beschäftigung wegen des geltend gemachten WBA ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs i.S.d. § 11 KSchG, § 615 S. 2 BGB zu sehen, es sei denn, im Einzelfall liegen besondere Umstände vor, die den Nichtantritt der Arbeit rechtfertigten.
1. Erzwungene Weiterbeschäftigung
Rz. 49
Treffen die Parteien keine privatautonome Regelung im Zusammenhang mit einem geltend gemachten WBA, dann wird der Arbeitnehmer nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftigt. Der Arbeitgeber will damit einerseits sein Annahmeverzugslohnrisiko reduzieren, andererseits die Zwangsvollstreckung abwenden. Darüber hinausgehende Erklärungstatbestände wird man dem Verhalten des Arbeitgebers nicht unterstellen können und dürfen. Während der so erzwungenen Weiterbeschäftigung besteht weder ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch ein Urlaubsanspruch. Dies bedeutet weiter, dass der Arbeitnehmer dann, wenn die Kündigung sich als wirksam herausstellt, gegen den Arbeitgeber auch "nur" Anspruch auf Wertersatz nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB hat. Der Arbeitgeber hat dann, da er die erhaltenen Arbeitsleistungen nicht wieder herausgeben kann, Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB zu leisten. Der Wertersatz bestimmt sich nach der für die erbrachte Arbeitsleistung üblichen Vergütung, wobei man sich teilweise an tariflichen Vorgaben orientiert.
Rz. 50
Folgt man dieser Meinung, dann sind auch tarifliche Jahressonderleistungen und tarifliche Ansprüche zu gewähren. Hat der Arbeitgeber für Krankheit, Urlaub und andere Arbeitsverhinderungen während des Weiterbeschäftigungszeitraums keine Vergütung gezahlt, dann scheidet im Falle der Wirksamkeit der Kündigung ein entsprechender Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers aus, weil der Arbeitgeber insoweit nicht bereichert ist. Entsprechende Zahlungen, jedenfalls dann, wenn sie unter Vorbehalt erfolgten, können als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangt werden. Der (erzwungene) WBA kann bei alledem aus seiner Natur heraus nicht weiter gehen als der zuvor bestehende arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch.
2. Vereinbarte Weiterbeschäftigung
Rz. 51
Den Arbeitsvertragsparteien steht es frei, bei Geltendmachung des WBA Regelungen zu treffen, wie dieses Weiterbeschäftigungsverhältnis inhaltlich ausgestaltet sein so...