Walter Krug, Dr. Christopher Riedel
Rz. 200
In Ehegattentestamenten oder Ehegattenerbverträgen wird dem Überlebenden häufig ein Nießbrauchsrecht zugewandt. Dabei ist besonders zu differenzieren, ob der Nießbrauch am Nachlass zugewandt werden soll – dann gelten die Vorschriften über den Vermögensnießbrauch, §§ 1085 ff. BGB – oder der Nießbrauch am jeweiligen Erbteil der Kinder – dann handelt es sich jeweils um einen Nießbrauch an einem Recht (§§ 1068, 1069 BGB).
Der Nießbrauch am Nachlass lastet auf jedem einzelnen Nachlassgegenstand und damit, wenn der überlebende Ehegatte als Nießbraucher auch zum Kreis der Erben gehört, auch auf seinem Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen. Beim Erbteilsnießbrauch ist sein Erbteil nicht belastet.
Rz. 201
Bei der Erfüllung des Vermächtnisanspruchs bestehen Unterschiede:
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Ist der Nießbrauch am Nachlass eingeräumt, erfolgt die Bestellung je nach Art des Nachlassgegenstandes nach den Vorschriften über die Nießbrauchsbestellung an Sachen bzw. Rechten, was für die Praxis in aller Regel einfacher zu handhaben ist, weil formlose Einigungen ausreichen. Bei Grundstücken wäre allerdings noch eine Eintragung im Grundbuch erforderlich, § 873 BGB. |
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Beim Erbteilsnießbrauch erfolgt die Bestellung durch notarielle Beurkundung, §§ 1069, 2033 Abs. 1 BGB, was in der Praxis nach aller Erfahrung – wohl aus Kostengründen – äußerst selten geschieht. |
Rz. 202
Weitere Besonderheiten ergeben sich bezüglich der Verfügung über Nachlassgegenstände, der dinglichen Surrogation und der Erbauseinandersetzung:
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In entsprechender Anwendung von § 1071 BGB kann beim Nießbrauch an einem Erbteil der nießbrauchsbelastete Erbe nicht mehr zusammen mit den anderen Miterben über den einzelnen Nachlassgegenstand verfügen. Vielmehr ist hierzu die Zustimmung des Nießbrauchers erforderlich, weil der Erbteil durch die Verfügung substantiell verändert wird. |
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Beim Nießbrauch an Sachen und am gesamten Nachlass gibt es keine dinglich wirkende Surrogation, während der Nießbraucher im Falle des Nießbrauchs am Erbteil über die Surrogationsvorschrift des § 2041 BGB auch an einer in der Erbengemeinschaft stattfindenden Surrogation teilnimmt. |
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Nießbrauchsbelasteter Erbe und Nießbraucher können nur gemeinsam die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangen, §§ 2042 Abs. 1, 1066 Abs. 2 BGB. Der Nießbrauch kann auch im Rahmen der Auseinandersetzung nicht ohne Zustimmung des Nießbrauchers aufgehoben werden, § 1071 Abs. 1 BGB. |
Rz. 203
Wird einem (einzigen) Nießbraucher der Nießbrauch an sämtlichen Erbteilen desselben Erblassers eingeräumt, stellt sich die Frage, ob es sich um einzelne Nießbrauchsrechte am jeweiligen Erbteil handeln soll.
Rz. 204
Bei der Testamentsgestaltung sollte deshalb genau ge- bzw. erklärt werden, welche Art von Nießbrauch eingeräumt werden soll – der Nießbrauch an allen oder einzelnen Erbteilen oder der Nießbrauch an allen oder einzelnen Nachlassgegenständen. Sehr häufig wird in der Praxis die Rechtsstellung des Nießbrauchers (überlebender Ehegatte) dadurch gestärkt, dass er zusätzlich zum Verwaltungstestamentsvollstrecker eingesetzt wird. Damit erhält er neben dem Fruchtziehungsrecht auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände, §§ 2205, 2211 BGB.