Walter Krug, Dr. Christopher Riedel
Rz. 15
Mit dem Vermächtnis beschwert ist grundsätzlich entweder der Erbe (auch der Vor- bzw. der Nacherbe) oder der Vermächtnisnehmer, Letzterer als Hauptvermächtnisnehmer. Andere Nachlassbeteiligte, insbesondere Pflichtteilsberechtigte, Auflagenbegünstigte und Erbeserben kommen als Beschwerte ebenso wenig in Betracht wie Empfänger lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers.
Im Zweifel ist der Erbe beschwert. Nach der Auslegungsregel des § 2148 BGB sind im Zweifel die Erben im Verhältnis ihrer Erbteile, die Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Wertes der Vermächtnisse beschwert. Die Miterben sind im Zweifel als Gesamtschuldner beschwert und haften grundsätzlich sowohl mit dem Nachlass als auch mit ihrem Eigenvermögen, §§ 1967, 2058 BGB. Erben können jedoch ihre Haftung auf den Nachlass beschränken, §§ 1975, 1990 BGB. § 2148 BGB findet nach h.M. allerdings nur im Innenverhältnis Anwendung, während sich die Haftung im Außenverhältnis nach den §§ 2058, 420 ff. BGB richtet.
Will der Erblasser eine unterschiedliche Beschwerung der Bedachten erreichen, so hat er zwei Möglichkeiten. Er kann zum einen festlegen, wer das Vermächtnis erfüllen soll (Erbe, einzelne Erben oder Vermächtnisnehmer) und zum anderen den Ausgleichsmaßstab bestimmen (nach Köpfen, nach Erbteilen etc.).
Rz. 16
Wird ein Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis beschwert, so ist klarzustellen, ob es sich um ein Untervermächtnis (§§ 2186 ff. BGB) oder um ein Nachvermächtnis handelt (§ 2191 BGB). Typisches Beispiel für ein Untervermächtnis ist die Beschwerung eines Bedachten, der im Wege des Vermächtnisses ein Hausgrundstück erhalten soll, mit einem Wohnungsrecht zugunsten eines Dritten (vgl. Muster Rdn 93).
Soweit der (ursprünglich) Beschwerte vor oder nach dem Erbfall wegfällt, hat dies keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Vermächtnisanordnung. Als Beschwerter gilt dann aber nach § 2161 BGB derjenige, dem der Wegfall des ursprünglich Beschwerten (erbrechtlich) zustattenkommt.
Rz. 17
Mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009 (BGBl I 2009, 3142) wurde § 2306 Abs. 1 BGB neu gefasst. Die aktuelle Rechtslage gilt für alle seit dem 1.1.2010 eingetretenen Erbfälle; für Erbfälle, die bis zum 31.12.2009 eingetreten sind, gilt altes Recht, Art. 229 § 23 EGBGB. Der Rechtsanwender hat also mitunter (noch) altes und neues Recht nebeneinander anzuwenden. Zur Neuregelung vgl. unten Rdn 19 ff. Im Folgenden wird zunächst der alte Rechtszustand dargestellt.
Rz. 18
Die Belastung eines Erben mit einem Vermächtnis findet für bis 31.12.2009 eingetretene Erbfälle ihre Grenze in der Vorschrift des § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. Danach gilt ein Vermächtnis einem pflichtteilsberechtigten Miterben gegenüber als nicht angeordnet, wenn dieser auf einen Erbteil eingesetzt ist, der größenmäßig seinem Pflichtteil oder weniger als seinem Pflichtteil entspricht. Für die Frage der Größe des Erbteils i.S.v. § 2306 Abs. 1 BGB a.F. kommt es grundsätzlich auf die Pflichtteilsquote des Vermächtnisbeschwerten an (Quotentheorie); sind lebzeitige Zuwendungen als ausgleichungs- oder anrechnungspflichtig zu berücksichtigen (§§ 2315, 2316 BGB), so kommt es auf den konkreten Wert der Erbbeteiligung an (Werttheorie). Quotentheorie und Werttheorie sind nur noch bei den Erbfällen von Bedeutung, die bis zum 31.12.2009 eingetreten sind, nicht aber bei Erbfällen, die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, dem 1.1.2010, eingetreten sind, Art. 229 § 23 EGBGB.
Rz. 19
Erbrechtsreform 2010/aktuelle Rechtslage:
Das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009 (BGBl I 2009, 3142) hat die Differenzierung in § 2306 Abs. 1 BGB a.F. nach Satz 1 (hinterlassener Erbteil kleiner oder gleich groß wie Pflichtteil) einerseits und Satz 2 (hinterlassener Erbteil größer als Pflichtteil) andererseits beseitigt.
Jeder pflichtteilsberechtigte Erbe, der Beschränkungen oder Beschwerungen unterliegt, kann nach aktuellem Recht das Erbe ohne Rücksicht auf dessen Höhe ausschlagen und statt seines Erbteils den Pflichtteil verlangen.
Ist der Erbteil kleiner als die Pflichtteilsquote, so kann der Pflichtteilsberechtigte gem. § 2305 BGB den Zusatzpflichtteil, auch "Rest-Pflichtteil" genannt, verlangen.
In § 2306 Abs. 1 BGB wurden die Wörter "so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbteil größer, so kann der Pflichtteilsberechtigte" durch die Wörter "so kann er" ersetzt.
Rz. 20
Hinweise
(1) Durch die Reform ist die frühere Unterscheidung, ob das Hinterlassene die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt oder nicht, entfallen. Der Erbe muss jetzt in jedem Fall die Erbschaft ausschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch zu erlangen.
(2) Dem belasteten pflichtteilsberechtigten Erben steht in den seit 1.1.2010 eingetretenen Erbfällen – gleichgültig, ob das ihm Hinterlassene kleiner, gleich groß ...