Rz. 23
Während die sachliche Zuständigkeit regelt, welches das richtige Eingangsgericht innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit ist, bestimmt die örtlicheZuständigkeit, an welchem Ort das betreffende Eingangsgericht anzurufen ist. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich dabei nach dem sog. Gerichtsstand, der in den §§ 12 ff. ZPO geregelt ist.
Rz. 24
Allgemeiner Gerichtsstand
Gemäß § 12 ZPO ist grundsätzlich örtlich zuständig das Gericht, bei dem eine Person ihren sog. allgemeinen Gerichtsstand hat. Der allgemeine Gerichtsstand einer Person bestimmt sich wiederum normalerweise gem. § 13 ZPO nach deren Wohnsitz, bei natürlichen Personen ohne Wohnsitz nach dem Ort deren Aufenthalts, gibt es auch den nicht, ist maßgeblich der letzte Wohnsitz (§ 16 ZPO). Bei juristischen Personen, die keinen Wohnsitz haben können, ist gem. § 17 ZPO der sog. Sitz des Unternehmens der allgemeine Gerichtsstand. Unter dem Sitz der juristischen Person ist dabei im Regelfall der Ort zu verstehen, wo die Verwaltung des Unternehmens geführt wird (§ 17 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Rz. 25
Besondere und ausschließliche Gerichtsstände
Neben allgemeinen Gerichtsständen gibt es besondere und ausschließliche Gerichtsstände. BesondereGerichtsstände sind solche, die nicht in erster Linie an die Person des Beklagten anknüpfen, sondern an ihre Tätigkeit, ihr Vermögen oder an das dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Bedeutsame besondere Gerichtsstände sind der Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung, § 21 ZPO, der Gerichtsstand des Vermögens, § 23 ZPO, der Gerichtsstand der Erbschaft, § 27 ZPO, und – sehr häufig vorkommend – der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO, sowie der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, § 32 ZPO. Besondere Gerichtsstände finden sich nicht nur in der ZPO, sondern auch in Spezialgesetzen, wie z.B. in § 48 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).
Rz. 26
Für internationale Streitigkeiten im Rahmen der Europäischen Union existiert ein spezielles Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, EuGVVO. Die EuGVVO ist mit Wirkung vom 10.1.2015 neugefasst worden (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012). Dieses bestimmt in seinem Artikel 5 Abs. 1, dass eine Person, die in einem Vertragsstaat des EuGVVO seinen Wohnsitz hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden kann, wenn ein Vertrag in diesem anderen Vertragsstaat zu erfüllen ist. Diese Bestimmung entfaltet große Wirkung im internationalen Kaufrecht, das im Fall von Auslandsbezügen des Kaufvertrages dem deutschen Kaufrecht vorgeht. Nach internationalem Kaufrecht sind Verträge dort zu erfüllen, wo die Hauptleistung zu erbringen ist. Dies führt dazu, dass bei Kaufverträgen, die deutsche Lieferanten mit europäischen Firmen oder Personen schließen und die dem internationalen Kaufrecht unterliegen, deutsche Gerichte, nämlich die für den Sitz des deutschen Unternehmens zuständigen, zur Entscheidung über den Kaufpreisanspruch berufen sind.
Besondere Gerichtsstände geben der klagenden Partei die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung, die Klage im besonderen Gerichtsstand zu erheben.
Rz. 27
Darüber hinaus existieren ausschließlicheGerichtsstände, wobei der ausschließliche Gerichtsstand des belegenen Grundstücks gem. § 24 ZPO der wichtigste ist. Eine weitere, in der rechtsanwaltlichen Praxis häufig in Erscheinung tretende Regelung findet sich in § 802 ZPO, der festlegt, dass alle Gerichtsstände im Zwangsvollstreckungsrecht (8. Buch der ZPO) ausschließliche sind.
Rz. 28
Während die klagende Partei bei Vorliegen mehrerer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstände die freie Wahl hat, an welchem dieser Gerichtsstände sie klagen möchte, § 35 ZPO, entfällt diese Möglichkeit bei Vorliegen eines ausschließlichenGerichtsstandes, da dieser alle anderen allgemeinen und besonderen Gerichtsstände als zulässige Gerichtsstände ausschließt. Wird bei einer Fallkonstellation eines ausschließlichen Gerichtsstandes bei einem Gericht Klage eingereicht, bei der "nur" ein besonderer Gerichtsstand gegeben ist, muss der Rechtsstreit auf Antrag gem. § 281 ZPO an das ausschließlich zuständige Gericht verwiesen werden.
Rz. 29
Auswahlkriterien
Bei der Auswahl des zuständigen Gerichts ist zu beachten, dass das Gericht für sämtliche der klageweise geltend gemachten Ansprüche zuständig sein muss. Daneben sollte der Kläger den ihm günstigsten Gerichtsstand auswählen.
Beispiel:
A will B auf Zahlung von 1.500,00 EUR aus einem am Wohnort des A – Berlin – geschlossenen und dort zu erfüllenden Vertrag verklagen. B wohnt in Hannover.
A hat bei dieser Fallgestaltung die Möglichkeit, B an dem für seinen Wohnsitz sachlich und örtlich zuständigen Amtsgericht Hannover zu verklagen, § 13 ZPO i.V.m. § 23 Abs. 1 GVG.
Dies wird er im Zweifel jedoch nicht tun, da er sich in diesem Fall die Mühe einer Reise zu dem weit entfernten Gericht machen müsste oder einen ihm im Zweifel nicht bekannten Rechtsanwalt in Hannover beauftragen müsste, mit dem sich wegen der Entfernung der Informationsaustausch schwierig gestalte...