Rz. 103
Will ein Minderjähriger einen Lebensversicherungsvertrag abschließen, bedarf es stets der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB), da der Lebensversicherungsvertrag aufgrund der Verpflichtung zur Prämienzahlung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist; erforderlich ist regelmäßig die Einwilligung beider Elternteile (vgl. § 1629 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB). Wurde die Einwilligung nicht erteilt, ist der Vertrag zunächst schwebend unwirksam bis zur Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. den Versicherungsnehmer nach Eintritt der Volljährigkeit. Wird die Genehmigung verweigert, hat dies die endgültige Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge (§ 108 BGB).
Rz. 104
Will der Minderjährige einen Lebensversicherungsvertrag abschließen, durch den er zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird und der länger als vier Jahre nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Minderjährigen laufen soll, reicht die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht aus. In diesem Fall ist eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich (§§ 1643 Abs. 1, 1853 S. 1 Nr. 1 BGB).
Rz. 105
Die Vorschrift des § 1853 S. 1 Nr. 1 BGB geht also davon aus, dass lediglich solche Verträge der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen, bei denen dem minderjährigen Versicherungsnehmer die Verpflichtung zur Prämienzahlung obliegt. Soweit von der Rechtsprechung festgestellt wird, der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages für einen Minderjährigen bedürfe auch dann der (nach alter Rechtslage) vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der gesetzliche Vertreter die Prämienzahlung übernimmt, betrifft dies nach hiesigem Verständnis nur den Fall der bloß faktischen Übernahme der Prämienzahlung gegenüber dem Versicherungsnehmer infolge einer Schenkung. Im Verhältnis zum Versicherer blieb in dem konkreten Fall der Minderjährige zur Prämienzahlung verpflichtet. Dagegen ist die Voraussetzung der Verpflichtung zur Prämienzahlung nicht mehr gegeben, wenn auch die Prämienzahlungspflicht etwa im Wege der befreienden Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) von dessen gesetzlichen Vertretern übernommen wird.
Rz. 106
Weitergehend stellt sich die Frage, ob die Vorschrift des § 1853 S. 1 Nr. 1 BGB nicht dahingehend auszulegen ist, dass Voraussetzung nicht nur die Verpflichtung zur Prämienzahlung überhaupt ist, sondern weiter, dass die Verpflichtung länger als vier Jahre nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Minderjährigen fortdauern soll. Dies hätte zur Folge, dass es bei Versicherungen gegen Einmalbeitrag oder einer entsprechend kürzeren Prämienzahlungsdauer ebenfalls keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedarf. Diese Frage wird regelmäßig nicht problematisiert. Es wird jedoch von der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass das Genehmigungserfordernis des § 1853 S. 1 Nr. 1 BGB nicht bereits deswegen entfällt, weil der Minderjährige den Vertrag jederzeit gem. § 168 VVG kündigen kann, da der Minderjährige durch den drohenden Vermögensverlust infolge des Rückkaufs von einer Kündigung abgehalten und zu einem Festhalten an dem Vertrag gezwungen wird. Nach ihrem Zweck soll gemäß dieser Auffassung die Vorschrift den Minderjährigen davor schützen, dass seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit nach Erreichen der Volljährigkeit durch früher begründete vertragliche Bindungen zu sehr eingeschränkt wird. Das wäre bei einer kürzeren Prämienzahlungsdauer hinsichtlich der Verfügbarkeit über die Versicherung gegeben, nicht jedoch in Bezug auf die Belastung mit Prämienzahlungen.
Rz. 107
Ein mit einem nicht ordnungsgemäß vertretenen Minderjährigen abgeschlossener und folglich schwebend unwirksamer Vertrag kann von dem zwischenzeitlich volljährig gewordenen Versicherungsnehmer nachträglich genehmigt werden. Dies wird meist konkludent geschehen. Dabei setzt eine konkludente Genehmigung nach herrschender Meinung die Kenntnis des Versicherungsnehmers darüber voraus, dass der Vertrag schwebend unwirksam ist und zu seiner Wirksamkeit noch der Genehmigung bedarf. Ohne Bedeutung ist hingegen, wenn dem Erklärenden das Erklärungsbewusstsein fehlt. Kriterium für das Vorliegen einer Genehmigung ist, ob der Versicherer als Erklärungsempfänger die Handlung aus dem Empfängerhorizont heraus als Genehmigung verstehen durfte.
Rz. 108
Hierbei soll jedoch das Wissen des Versicherers zu berücksichtigen sein, dass ein Versicherungsnehmer in der Regel ohne Kenntnis der schwebenden Unwirksamkeit auch nichts genehmigen wolle. Dies habe zur Folge, dass eine Handlung des Versicherungsnehmers auch aus Sicht des Erklärungsempfängers nur dann als Genehmigung verstanden werden könne, wenn der nunmehr volljährige Versicherungsnehmer vorher über die schwebende Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages aufgeklärt worden ist. Folglich seien Prämienzahlungen nach Eintritt der Volljährigkeit, Abtretungen, Vertragsänderungen etc. nur bei Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrages als G...