Rz. 404
Ob ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht vorliegt, hängt weiter davon ab, in welchem Zeitraum für den Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht bestand.
Rz. 405
Dabei ist zu beachten, dass die Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG für den Versicherungsnehmer "bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung" besteht. Abweichend von der Regelung im alten VVG besteht damit bei Vertragsschluss ab dem 1.1.2008 gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 VVG eine Nachmeldepflicht nur dann, wenn der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme erneut Fragen in Textform an den Antragsteller stellt. Die Nachfrage des Versicherers muss erneut mit einer Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG versehen werden. Eine Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, durch die eine Nachmeldepflicht des Versicherungsnehmers für den Zeitraum zwischen Antragstellung und Vertragsschluss begründet wird, stellt ein Abweichen von § 19 Abs. 1 S. 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers dar und ist daher nach § 32 VVG unwirksam.
Rz. 406
Da bei dem sog. Anfrageverfahren der Antrag vom Versicherer ausgeht und der Versicherungsnehmer die Annahme erklärt, wäre es nach hier vertretener Auffassung mit § 19 Abs. 1 S. 1 VVG vereinbar, den Versicherungsnehmer beim Anfrageverfahren in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Nachmeldung von Gesundheitsveränderungen zwischen dem Zeitpunkt der Beantwortung der Gesundheitsfragen in der Anfrage und dem Zeitpunkt der Annahmeerklärung durch den Versicherungsnehmer zu verpflichten. Da der Versicherungsnehmer gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG nur diejenigen Gefahrumstände anzeigen muss, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, setzt die Nachmeldepflicht voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer mit Übersendung des Angebots noch einmal ausdrücklich nach einer Änderung in den Gesundheitsverhältnissen der versicherten Person gefragt hat. Im Ergebnis verbessert das Anfrageverfahren damit die Rechtsstellung des Versicherers gegenüber dem Antragsverfahren nicht, da der Versicherer auch bei dem Antragsverfahren gem. § 19 Abs. 1 S. 2 VVG die Möglichkeit hat, vor Vertragsannahme weitere Fragen an den Versicherungsnehmer zu richten. Da dem Versicherungsnehmer beim Anfrageverfahren zum Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung bereits ein bindender Antrag des Versicherers i.S.d. § 145 BGB vorliegt, wird bei Anzeige von Gesundheitsverschlechterungen zwischen dem Zeitpunkt der Beantwortung der Gesundheitsfragen in der Anfrage und dem Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung ein wirksamer Vertragsschluss nur dadurch verhindert, dass der Versicherer sein Angebot unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass bis zur Abgabe der Annahmeerklärung keine Gesundheitsverschlechterungen bei der versicherten Person eingetreten sind.
Rz. 407
Beachte
Wird der Versicherungsschutz nachträglich erweitert oder wiederhergestellt (z.B. nach einer Prämienfreistellung gem. § 165 VVG), so entsteht eine erneute Pflicht zur Anzeige von dem Versicherungsnehmer bekannten Gefahrumständen, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Dies gilt jedoch nur dann, wenn neue oder erhöhte Gefahren in den Versicherungsschutz einbezogen werden sollen oder wenn die Versicherungssumme erhöht oder die Vertragsdauer verlängert werden soll. Eine Anzeigepflicht besteht daher zum Beispiel dann nicht, wenn es um dem Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsschluss eingeräumte Rechte auf Erhöhung der Versicherungssumme bzw. auf Vertragsänderung geht (Optionen, Dynamik) oder wenn der Versicherer die Prämie nur gestundet hatte oder der Vertrag nach einer Kündigung des Versicherers gem. § 38 Abs. 3 S. 3 VVG innerhalb der ihm eingeräumten Reaktivierungsfrist von einem Monat wiederhergestellt werden soll. Schließlich ist eine erneute Anzeigepflicht ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer im Wege der Vertragsänderung lediglich eine Reduzierung des Versicherungsschutzes wünscht, also z.B. die Versicherungssumme verringert oder die Laufzeit verkürzt.