Rz. 447
Soweit der Versicherer den Versicherungsvertrag im Falle der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände – wenn auch zu anderen Bedingungen – geschlossen hätte, steht dem Versicherer (außer bei Vorsatz des Versicherungsnehmers) weder ein Rücktrittsrecht noch ein Kündigungsrecht zu. Der Versicherer hat stattdessen lediglich das Recht, den Versicherungsvertrag anzupassen. Falls der Versicherungsnehmer die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu vertreten hatte, hat der Versicherer das Recht zur rückwirkenden Anpassung des Versicherungsvertrags. Bei einer nicht vom Versicherungsnehmer zu vertretenden Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht werden die anderen Bedingungen demgegenüber erst ab der laufenden Versicherungsperiode Bestandteil.
Rz. 448
Die Beweislast dafür, dass der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände geschlossen hätte, trägt der Versicherungsnehmer. Da der Versicherungsnehmer jedoch keine Kenntnis von den Annahmegrundsätzen des Versicherers hat, ist zu erwarten, dass die Rechtsprechung zur bloßen Substantiierungslast des Versicherungsnehmers auch hier gilt. Danach ist die bloße Behauptung des Versicherungsnehmers, der Versicherer hätte den Vertrag in Kenntnis der verschwiegenen Umstände zu geänderten Bedingungen abgeschlossen, für den Beweis ausreichend. Es ist dann Sache des Versicherers darzulegen, von welchen Grundsätzen er sich bei der Risikoprüfung leiten lässt, sofern die Gefahrerheblichkeit der erfragten Umstände nicht auf der Hand liegt.
Rz. 449
Voraussetzung für die Vertragsanpassung ist, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine auf die Vertragsanpassung gerichtete Willenserklärung zukommen lässt. Da eine bestimmte Form für die Willenserklärung nicht vorgeschrieben ist, reicht auch eine mündliche Erklärung aus.
Rz. 450
Rechtsfolge der Vertragsanpassung ist, dass für den Versicherungsvertrag von Anfang an (bei Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers) bzw. ab Beginn der laufenden Versicherungsperiode (bei Schuldlosigkeit des Versicherungsnehmers) andere Vertragsvereinbarungen gelten (in der Regel: Ausschlussklausel oder Risikozuschlag). Im Falle der rückwirkenden Geltung einer Ausschlussklausel kann dies zur Folge haben, dass der Versicherer aufgrund der Vertragsanpassung leistungsfrei wird. Dies gilt selbst bei schuldloser Obliegenheitsverletzung, sofern der Versicherungsfall in derselben Versicherungsperiode eingetreten ist, in der die Vertragsänderung wirksam wird.
Rz. 451
Erhöht sich aufgrund der Vertragsänderung die Prämie um mehr als 10 % oder schließt der Versicherer den Versicherungsschutz für den nicht angezeigten Umstand aus, besteht ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 19 Abs. 6 VVG. Der Versicherungsnehmer kann in den vorgenannten Fällen den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung des Versicherers über die Vertragsänderung ohne Einhaltung einer Frist kündigen.
Rz. 452
Gemäß § 19 Abs. 6 S. 2 VVG muss der Versicherer den Versicherungsnehmer in seiner Mitteilung über die Vertragsänderung über das Recht des Versicherungsnehmers zur Kündigung des Versicherungsvertrags belehren. Unterlässt der Versicherer die Belehrung nach § 19 Abs. 6 S. 2 VVG beginnt die Monatsfrist für das Kündigungsrecht nicht zu laufen.