Rz. 35

Allein die Feststellung, dass ein Mandat vom Versicherungsschutz erfasst ist, bedeutet noch nicht, dass auch tatsächlich Versicherungsschutz besteht. Es gibt eine Vielzahl von Einwendungen des Rechtsschutzversicherers, die zur Leistungsfreiheit führen.

I. Vorsatz (§ 3 Abs. 5 ARB 2010)

 

Rz. 36

Der Risikoausschluss für Vorsatztaten gilt für alle in § 2 ARB 2010 aufgezählten Rechtsangelegenheiten, nicht jedoch für Ordnungswidrigkeiten, den Beratungsrechtsschutz im Familienrecht und Erbrecht. Diese Vorschrift ist an die Stelle von § 4 Abs. 2a ARB 75 getreten, in dem der Versicherungsschutz ausgeschlossen wird, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat.

 

Rz. 37

"Straftat" ist ein Verbrechen oder ein Vergehen (§ 12 StGB), nicht eine Ordnungswidrigkeit (§ 1 OWiG). Es genügt die vorsätzliche und rechtswidrige Begehung einer Straftat; nicht erforderlich ist es, dass das Strafverfahren auch tatsächlich durchgeführt wird.

 

Rz. 38

Auch der Versuch einer Straftat führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers.

 

Beispiel

Der Versicherungsnehmer macht Schadenersatzansprüche aus einem vorgetäuschten Verkehrsunfall geltend.

 

Rz. 39

Die Straftat gemäß § 263 StGB ist zwar nicht vollendet, gleichwohl besteht kein Versicherungsschutz für den Rechtsstreit gegen den angeblich eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer.

 

Rz. 40

Für verkehrsrechtliche Vergehen gilt die Besonderheit von § 2i aa ARB 2010: Bis zur rechtskräftigen Feststellung, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt hat, muss der Rechtsschutzversicherer – auflösend bedingt – Kostenschutz gewähren und kann nach rechtskräftiger Verurteilung die bislang getragenen Kosten vom Versicherungsnehmer zurückverlangen.

 

Hinweis

In allen Fällen, in denen der Risikoausschluss "Vorsatztat" eingreifen könnte, ist der anwaltsübliche Gebühren- und Kostenvorschuss gemäß § 9 RVG vom Rechtsschutzversicherer einzufordern. Im Falle einer Verurteilung kann der Rechtsschutzversicherer diesen Vorschuss nicht vom beauftragten Rechtsanwalt zurückverlangen, sondern nur vom Versicherungsnehmer.

II. Obliegenheitsverletzungen vor Eintritt des Versicherungsfalles

 

Rz. 41

Obliegenheiten sind nach allgemeiner Ansicht Voraussetzung (Verhaltensnormen) für den Versicherungsschutz.[23] Die einzige Sanktion von Obliegenheitsverletzungen ist die Leistungsfreiheit des Versicherers für den konkreten Versicherungsfall.

 

Rz. 42

Der Verkehrs-Rechtsschutz enthält drei Fallgruppen von Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind und bei deren Verletzung der Versicherungsschutz entfällt (§ 21 Abs. 8 ARB 2010 und § 22 Abs. 5 ARB 2010):

Fahren ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis
Fahren mit nicht zugelassenem Fahrzeug
Schwarzfahrt.
 

Rz. 43

Die Leistungsfreiheit besteht immer nur gegenüber demjenigen, der die Obliegenheitsverletzung begeht.

 

Beispiel

Der führerscheinlose Fahrer hat keinen Versicherungsschutz, wohl aber der Versicherungsnehmer, der schuldlos vom Bestehen einer Fahrerlaubnis ausging.

 

Rz. 44

Behauptet der Versicherungsnehmer, dass seine Obliegenheitsverletzung nicht kausal für den Versicherungsfall gewesen sei, ist er beweispflichtig. Er muss den Kausalitätsgegenbeweis führen.[24] Dieser Kausalitätsgegenbeweis kommt im Verkehrsrecht in erster Linie dann in Betracht, wenn ein Verkehrsunfall durch einen unberechtigten oder führerscheinlosen Fahrer verursacht worden ist. Hier werden strenge Anforderungen gestellt, in der Regel muss der Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses geführt werden.

[23] Römer/Langheid/Rixecker, § 28 VVG Rn 9; van Bühren/van Bühren, Handbuch VersR, § 1 Rn 170 f.
[24] Prölss/Martin/Armbrüster, § 28 VVG Rn 249 m.w.N.

III. Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalles

 

Rz. 45

Die vertraglichen Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles sind in § 17 Abs. 3 bis 6 ARB 2010 geregelt.

 

Rz. 46

Nach § 30 Abs. 1 VVG ist der Versicherungsnehmer zur unverzüglichen Schadenanzeige verpflichtet. Eine Sanktion sieht das Gesetz jedoch nicht vor, sie wird in den jeweiligen Versicherungsbedingungen geregelt.

 

Rz. 47

Eine unverzügliche Schadenanzeige bei allen Schadenfällen erscheint auch im Bereich der Rechtsschutzversicherung wenig sinnvoll und wäre mit unnötigem Arbeitsaufwand verbunden.

 

Rz. 48

 

Hinweis

Die Schadenanzeige an den Rechtsschutzversicherer ist erst dann sinnvoll und erforderlich, wenn mit dessen Inanspruchnahme auch zu rechnen ist.

 

Rz. 49

Die im Bereich der Rechtsschutzversicherung zu beobachtenden Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles sind in § 17 Abs. 1 bis 6 ARB 2010 geregelt. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet,

dem Versicherer vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Rechtsschutzfalles zu unterrichten,
den beauftragten Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage zu unterrichten.
 

Rz. 50

§ 17 Abs. 5c ARB 2010 enthält für den Versicherungsnehmer drei Bestimmungen zur Kostenminderungspflicht – "soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden" –,

vor kostenauslösenden Maßnahmen die Zustimmung des Versicherers einzuholen,
vor Klageerhebung die Rechtskraft eines anderen vorgreif...

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