Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 373
Bei Strukturmaßnahmen, die im Wege der Einzelnachfolge durchgeführt werden, vollzieht sich der Vermögensübergang im Grundsatz nach den allgemeinen Prinzipien des bürgerlich-rechtlichen Schuld- und Sachenrechts. Es ist erforderlich, dass jeder einzelne Vermögensgenstand nach den konkret anwendbaren Übertragungsvorschriften einzeln erfasst und übertragen wird. Insbesondere der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz kann in diesem Zusammenhang Probleme bereiten. Etwaige Formerfordernisse, wie etwa bei der Übertragung von Grundstücken (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) oder GmbH-Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG) sind zudem zu beachten.
Rz. 374
Möglich ist in erster Linie eine Vollübertragung des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Singularsukzession in den übernehmenden Rechtsträger (gegen Gewährung von Anteilen). Verbunden ist eine solche Maßnahme dann mit der Auflösung und Abwicklung des übertragenden Rechtsträgers und einer Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung bei dem übernehmenden Rechtsträger. Hierdurch können jedoch erhebliche Kosten entstehen und das Verfahren kann, insbesondere aufgrund der Liquidation der übertragenden Gesellschaft einige Zeit in Anspruch nehmen.
Rz. 375
Neben der Vollübertragung des Vermögens können auch (sämtliche) Anteile des übertragenden Rechtsträgers im Wege einer Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung in den übernehmenden Rechtsträger eingebracht werden. Dies führt dann nicht zum Übergang des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers, sondern es entsteht ein faktischer Konzern mit der übertragenden Gesellschaft als beherrschtem Unternehmen. Zudem kommt es auch in Frage eine Ausgliederung nachzubilden, indem die Vermögensteile des übertragenden Rechtsträgers durch Singularsukzession im Zuge einer Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden.
Rz. 376
Als Alternative für die Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung beim aufnehmenden Rechtsträger kann auch eine Bargründung oder Barkapitalerhöhung jeweils mit Sachagio durchgeführt werden. Als Gegenstand des Sachagios kommen dann einzelne Vermögensgegenstände oder wiederum die Anteile des übertragenden Rechtsträgers in Frage. Die Einbringung eines Unternehmens als Sachagio vollzieht sich in der Weise, dass alle zum Unternehmen gehörenden Aktiva und Passiva einzeln (und unter Mitwirkung der Vertragspartner) auf die Gesellschafter übertragen werden. Hierbei ist bei einem Einzelunternehmen als Gegenstand des Sachagios zu beachten, dass die übernommenen Verbindlichkeiten von den ebenfalls übertragenen positiven Vermögenswerten überstiegen werden, sodass im Saldo das Sachagio einen positiven Wert hat und damit die Bareinlage nicht durch das Sachagio geschmälert wird. Übersteigen die Verbindlichkeiten die Vermögensgegenstände des Unternehmens (zu Verkehrswerten), ist der Wert des Unternehmens negativ. Auch in Bezug auf Geschäftsanteile als Sachagio ist gedanklicher Ausganspunkt der Werthaltigkeitsprüfung auf Grundlage des Unversehrtheitsgrundsatzes zu beachten und sicherzustellen, dass jedenfalls kein negativer Wert vorliegt. Der Nachweis, dass der Wert des Geschäftsanteils nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen nicht negativ ist, lässt sich vorrangig durch Versicherungen der Geschäftsführer führen.
Rz. 377
Bei diesen Vorgängen ist zudem zu beachten, ob es sich um eine vom Leitungsorgan durchführbare bloße Geschäftsführungsmaßnahme, oder um eine grundlegende Strukturentscheidung, die in den Kompetenzbereich der Anteilseignerversammlung fällt, handelt. Unter Umständen ist daher die Zustimmung der Anteilseigner einzuholen. Nach der Rspr. des BGH ist eine ungeschriebene Kompetenz der Anteilseignerversammlung bei Strukturänderungen anzunehmen, die wenigstens 80 % der Unternehmensaktiva dem unmittelbaren Einfluss der Anteilseigner entzieht.