Rz. 74
In Abgrenzung zu der eigentlichen Verzichtserklärung setzt die Ausschlagung den Anfall der Erbschaft beim Erben voraus. Sie gibt ihm jedoch die Möglichkeit, diese Erbfolge im Regelfall innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls durch eine Ausschlagung abzulehnen. Die Ausschlagung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichtes und durch eine öffentliche Beglaubigung abzugeben. Ihre Rechtsfolge ist, dass der Ausschlagende als im Zeitpunkt des Erbfalls nicht vorhanden, also bereits vorverstorben, gilt.
Rz. 75
Die Ausschlagung stellt sich gelegentlich als einzige Möglichkeit dar, missglückte Nachfolgeplanungen noch zu korrigieren.
Wichtig
Liegt in Bezug auf die erbrechtliche Gestaltung ein Erbverzicht vor, hat die Ausschlagung fatale Konsequenzen.
Beispiel
Der Unternehmer vereinbart mit seiner Ehegattin eine wechselseitige Erbeinsetzung und lässt seinen einzigen Sohn einen Erbverzicht erklären. Nach Eintritt des Erbfalls wird festgestellt, dass angesichts des mittlerweile vorhandenen Vermögens eine direkte Nachfolge durch den Sohn sinnvoller wäre und die Ehegattin durch werthaltige Zugewinnausgleichsansprüche, hilfsweise entsprechende Pflichtteilsansprüche abgefunden werden könnte. Hier hätte die Ausschlagung durch die Ehefrau keineswegs die Folge, dass der Sohn in die Erbfolge käme, da er aufgrund des erklärten Erbverzichts als vorverstorben gilt. Rechtsnachfolger des Vaters würden also im Zweifel entferntere Verwandte des Erblassers.
Rz. 76
Auch diese Konstellation belegt wieder einmal, dass ein Erbverzicht in aller Regel zu sinnlosen Konsequenzen führt, die sich nach dem Tode nicht mehr korrigieren lassen. Daher hier nochmals die dringende Empfehlung an die Vertragspraxis, sich auf Pflichtteilsverzichte zu beschränken, die ja durchaus die gewünschte Konsequenz haben, dass ein Abkömmling, beispielsweise im Ausgangsfall, die längerlebende Ehefrau nicht mit Ansprüchen konfrontieren könnte, so dass – wenn gewollt – eine ungestörte Vermögensnachfolge innerhalb der Ehegatten erfolgen kann.
Rz. 77
In den Fällen, in denen man sich sinnvollerweise auf die Vereinbarung von Pflichtteilsverzichten beschränkt hat, bietet die Ausschlagung allerdings große Gestaltungsmöglichkeiten. Hier könnte etwa in unserem Beispielsfall die Ehegattin durchaus die gewillkürte und gesetzliche Erbfolge (letztere wahlweise) durch eine Ausschlagung beseitigen, um dann so dem Abkömmling die Rechtsnachfolge zu ermöglichen, denn der abgegebene Pflichtteilsverzicht hat natürlich nicht die Konsequenz, dass eine gesetzliche Erbfolge nicht in Betracht käme. Hier wäre also nach erfolgter Ausschlagung durch die Ehegattin der Sohn alleiniger gesetzlicher Erbe des Vaters. Im Anschluss an eine solche Ausschlagung könnte man durch Kompensationsvereinbarungen mit der Mutter eine zweckgerichtete Vermögensnachfolge erreichen.
Rz. 78
Das ist natürlich nur die zweitbeste Lösung, die allerdings eine missglückte Nachfolgeplanung doch in weiten Teilen korrigieren kann. Besser und maßgeschneidert ist eine im Einzelnen vollzogene lebzeitige Nachfolgeplanung, die nicht der Korrektur durch eine Ausschlagung bedarf. Ist es nicht zu derartigen lebzeitigen Verfügungen gekommen, stellt sich eine Erbteilsübertragung immer noch als die bessere Lösung dar, damit nicht möglicherweise unbedacht Verwandte des zweiten und dritten Grades in die Erbfolge geraten.