Rz. 63
Der Praxis ist durch die Rspr. des BFH zu den sog. Einstimmigkeitsabreden ein wirksames Gestaltungsinstrument an die Hand gegeben, die Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung in den geeigneten Fällen zu vermeiden oder eintreten zulassen. Es wird in diesem Zusammenhang von einem de facto-Wahlrecht gesprochen.
Relevant ist diese Gestaltungsmöglichkeit, wenn an der Besitzgesellschaft neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt ist (sog. Nur-Besitzgesellschafter) und Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wegen vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden müssen, sodass eine Beherrschungsidentität auf vertraglicher und gesellschaftsrechtlicher Grundlage und damit eine personelle Verflechtung verhindert werden kann. Obwohl die bislang ergangene Rspr. und v.a. das BMF-Schreiben nur zu den Fällen des Nur-Besitz-Gesellschafters ergangen sind, kann die personelle Verflechtung auch in den Fällen des Nur-Betriebsgesellschafters ausgeschlossen werden.
1. Einstimmigkeitsabreden im Besitzunternehmen
Rz. 64
Seit Mitte der 1980er Jahre entscheidet der BFH in gefestigter Rspr., dass die Voraussetzungen der personellen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung i.d.R. nicht erfüllt sind, wenn
▪ |
ein Gesellschafter des Besitzunternehmens nicht zugleich Gesellschafter der Betriebs-GmbH ist (sog. Nur-Besitzgesellschafter) und |
▪ |
nach dem Gesellschaftsvertrag der Besitzgesellschaft für alle Geschäfte im Zusammenhang mit den überlassenen Betriebsgrundlagen einstimmig Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung zu fassen sind. |
Rz. 65
▪ |
Zunächst war zweifelhaft, welchen Umfang eine gesellschaftsvertragliche Einstimmigkeitsabrede nach der Rspr. haben musste und ob diese durch die Annahme einer faktischen Beherrschung eine personelle Verflechtung entstehen kann. Das BFH-Urt. v. 21.1.1999 klärte insoweit wichtige Fragen: Nach dem dortigen Sachverhalt bestanden identische Beteiligungsverhältnisse bei der Besitz-GmbH & Co. KG und an der Betriebs-GmbH. Der Gesellschaftsvertrag der Besitz-GmbH & Co. KG wurde um eine Einstimmigkeitsabrede ergänzt, nach der zu allen Vorgängen betreffend des Grundstücksüberlassungsvertrags einstimmige Gesellschafterbeschlüsse erforderlich waren. Anschließend übertrug ein an der Besitz- und Betriebsgesellschaft Beteiligter (Sowohl-als-auch-Gesellschafter) seine Kommanditbeteiligung auf einen Nur-Besitz-Gesellschafter. Der BFH gab der klagenden Besitz-GmbH & Co. KG recht, dass die getroffene Einstimmigkeitsabrede i.V.m. der Übertragung der Kommanditbeteiligung zur Beendigung der Betriebsaufspaltung mangels andauernder personeller Verflechtung führte. In einem weiteren Urteil entschied der BFH zu einer GbR als Besitzgesellschaft, bei der das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip galt (§ 709 Abs. 1 BGB) und keine Einzel- sondern eine Mehrfach-Geschäftsführung bestand. Ausgangspunkt der Betrachtung sind folgende Eckpunkte der Rspr.: |
▪ |
Bezugspunkt der Einstimmigkeitsabrede müssen die Geschäfte des täglichen Lebens sein: Müssen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst werden, kann die beherrschende Person oder Personengruppe rechtlich ihren Willen in der Besitzgesellschaft nicht mehr durchsetzen, wenn an der Besitzgesellschaft neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt ist und wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung der Nutzungsüberlassung umfasst. Verhältnis der rechtlichen Gestaltung zur Annahme einer faktischen Beherrschung: Ein vorrangiges Abstellen auf die rein tatsächliche Beherrschung statt auf die gesellschaftsvertragliche Gestaltung scheidet aus, da sich das tatsächliche Beherrschungsverhältnis nur aus dem Verhalten der Gesellschafter in der Vergangenheit ableiten lässt und dieses keinen sicheren Schluss darauf zulasse, dass sich dieses in der Zukunft wiederholt. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz fehlender rechtlicher Möglichkeit zur Durchsetzung des eigenen Willens eine Person oder Personengruppe ein Unternehmen faktisch beherrschen. Die Feststellungslast für eine solche faktische Beherrschung liegt bei demjenigen, der aus dem Vorliegen einer Betriebsaufspaltung günstige Folgen für sich ableiten will. |
2. Das BMF-Schreiben vom 7.10.2002 (BStBl I 2002, 1028) als Gestaltungsvorgabe für Einstimmigkeitsabreden mit Nur-Besitz-Gesellschaftern
a) Mehrheitserfordernisse verschiedener Rechtsformen nach dem Gesetz
Rz. 66
Die folgende Übersicht zeigt, welche Mehrheitserfordernisse nach dem Gesetz bestehen: