Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 2
Die Anrufung des BVerfG ist grundsätzlich nur und erst dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer zuvor den Rechtsweg erschöpft und darüber hinaus die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergriffen hat, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese zu verhindern. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn und soweit eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen, oder ohne Inanspruchnahme des BVerfG im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen ist oder gewesen wäre.
Rz. 3
Vor dem Erheben der Verfassungsbeschwerde müssen daher alle verfügbaren Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde) genutzt worden sein. Zu den Möglichkeiten, den geltend gemachten Grundrechtsverstoß schon im Verfahren vor den Fachgerichten abzuwehren, gehören auch die ausreichende Darstellung des relevanten Sachverhalts, geeignete Beweisanträge, Wiedereinsetzungsanträge bei unverschuldeter Fristversäumung u.Ä. Eine Verfassungsbeschwerde ist daher unzulässig, soweit solche Möglichkeiten im fachgerichtlichen Verfahren nicht genutzt wurden.
Rz. 4
Wird die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs gerügt, Art. 103 Abs. 1 GG, ist, wenn gegen die angegriffene Entscheidung ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, die Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn zuvor versucht wurde, durch Einlegung einer Anhörungsrüge (insbesondere § 321a ZPO, § 152a VwGO, § 178a SGG, § 78a ArbGG, § 44 FamFG, § 133a FGO, §§ 33a, 356a StPO) beim zuständigen Fachgericht Abhilfe zu erreichen. Die etwaige Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich in einem solchen Fall regelmäßig nicht auf die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern erfasst auch alle sonstigen Rügen.
Rz. 5
Das Erheben einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht wird für eine zulässige Verfassungsbeschwerde zum BVerfG nicht vorausgesetzt.