Rz. 391

Der Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit setzt voraus, dass objektiv keine reale Beschäftigungschance für den Berechtigten existiert.[689] Bei der zu suchenden Erwerbstätigkeit muss es sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne der Definition des § 1574 Abs. 2 BGB handeln. Sie muss daher der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer ggf. früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entsprechen. Eingeschränkt wird dies noch dadurch, dass eine solche Tätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht unbillig sein darf.

Nach dem Maßstab des § 1574 Abs. 2 BGB ist nicht nur die Art der Erwerbstätigkeit, sondern auch zu beurteilen, ob eine volle Erwerbstätigkeit angemessen ist oder lediglich eine Teilerwerbstätigkeit in Frage kommt.[690] Um eine solche angemessene Erwerbstätigkeit muss sich der Berechtigte bemühen. Eine schlichte Meldung bei der Agentur für Arbeit reicht ebenso wenig aus wie Bewerbungen ohne konkreten Bezug zu einer Stellenausschreibung, also "ins Blaue hinein".[691] Der Arbeitslose, gleichgültig, ob er Leistungen nach Hartz IV bezieht[692] oder auch keinerlei Leistungen erhält, hat eigene Bemühungen zu entfalten, um seiner Obliegenheit zur Arbeitssuche zu genügen. Eigene Bemühungen müssen sich dokumentieren lassen in eigenen Inseraten, Notierungen in Vermittlungsagenturen oder in Job-Portalen sowie in Bewerbungen auf Stellenanzeigen.

Der Umfang solcher Bewerbungen entspricht zeitlich dem Umfang der Arbeitstätigkeit, zu denen der Arbeitslose verpflichtet ist.[693] Bei einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit und damit bei einer täglichen Arbeitssuche bis zu acht Stunden sind im Einzelfall bis zu 30 Bewerbungsschreiben pro Monat erforderlich.[694] Der Umkreis der Arbeitssuche richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls.

Lediglich bei anzuerkennenden örtlichen Bindungen, z.B. bei eigener Kinderbetreuung oder bei einer bestehenden Umgangsverantwortung, reicht es aus, wenn der Berechtigte sich auf Arbeitsplätze bewirbt, die von seinem Wohnort aus mit einem vertretbaren Aufwand erreichbar sind.[695]

 

Rz. 392

 

Beachten!

Der Gläubiger muss seine Arbeitsbemühungen nachvollziehbar dokumentieren. Am besten werden die Stellenanzeige, das eigene Bewerbungsschreiben und die schriftliche Reaktion des Inserenten zusammen aufbewahrt, damit eine vollständige Dokumentation vorgelegt werden kann. Vorstellungsgespräche ohne vorangegangenes Inserat sollte sich der Gläubiger durch den potentiellen Arbeitgeber bestätigen lassen.

Wird im Verfahren nicht konkret vorgetragen und belegt, wann und bei wem es Bewerbungen gegeben hat, ist das Vorbringen unsubstantiiert mit der Folge, dass kein Beweis zu erheben ist.[696]

 

Rz. 393

In Fällen, in denen solche anzuerkennenden örtlichen Bindungen nicht vorhanden sind, muss sich der Betroffene überregional bewerben. Tut er dies nicht, so erfüllt er die Anforderungen notwendiger Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht.

Ob insgesamt aber eine reale Beschäftigungschance besteht, ist im Einzelfall festzustellen.[697] Zweifel an Art und Umfang der notwendigen Bemühungen des Berechtigten gehen zu seinen Lasten. Sind ausreichende Bewerbungsbemühungen nicht dargelegt, ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene eine angemessene Stelle gefunden hätte. Nur ausnahmsweise kann vom Fehlen jeglicher Beschäftigungschance ausgegangen werden.[698]

Wer verpflichtet ist, darzulegen und nachzuweisen, dass er keine Chance auf eine Vollzeitstelle hat, muss in gleicher Weise darlegen und nachweisen, dass ihm auch eine Tätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) und auch in einer geringfügigen Beschäftigung (sog. Mini-Job) nicht möglich ist.[699]

[690] BGH FamRZ 1985, 908.
[694] BGH FamRZ 1987, 144; OLG Koblenz FamRZ 2000, 313.
[698] Ausführlich dazu Wendl/Dose/Bömelburg, § 4 Rn 277 und 302 ff.

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