Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 24
Das Gericht hat nach der Konstruktion des § 1671 BGB grds. nur die Entscheidungsbefugnis, den Antrag eines Ehegatten abzuweisen oder ihm stattzugeben, also ihm die elterliche Sorge ganz oder teilweise zur alleinigen Ausübung zu übertragen, § 1671 Abs. 1 BGB, oder den Antrag unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer abweichenden elterlichen Sorge aufgrund anderer Vorschriften zurückzuweisen, § 1671 Abs. 3 BGB. Ein Elternteil hat nicht die Möglichkeit, den Antrag zu stellen, das alleinige Sorgerecht dem anderen Ehegatten zu übertragen.
Differenzierende Regelungen sind allerdings möglich, wenn Anträge und Gegenanträge gestellt werden und eine Aufteilung in Einzelbereiche der elterlichen Sorge beantragt wird, wie z.B. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Vermögenssorge oder abgrenzbare Teile der Personensorge, beispielsweise schulische Angelegenheiten und Angelegenheiten der medizinischen Betreuung. Der Gesetzgeber wollte eine Abkehr vom bisherigen Alles-oder-Nichts-Prinzip für Fälle, in denen sich der Konflikt der Eltern nur auf einen Teilbereich beschränkt. In der Praxis wird deswegen inzwischen regelmäßig nur über das Aufenthaltsbestimmungsrecht entschieden, wenn sich der Streit der Eltern im Wesentlichen darauf beschränkt, in wessen Haushalt die Kinder leben sollen oder ob der andere Elternteil einen Umzug tolerieren muss.
Rz. 25
Das Gericht kann auch ohne entsprechende Hilfsanträge aus Gründen des Kindeswohls einen umfassenden Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB teilweise zurückweisen und dem Antragsteller nur Teilbereiche der elterlichen Sorge zur alleinigen Ausübung überlassen. Hilfsanträge mögen einerseits sinnvoll sein, um aktiv auf differenzierte Lösungen hinzuarbeiten, wenn absehbar ist, dass eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge möglicherweise nicht erreichbar ist. Andererseits wird der unrichtige Eindruck erweckt, dass das Ziel des Hauptantrags selbst nicht für erreichbar gehalten wird. Hilfsanträge sollten daher in der Regel nicht sofort gestellt werden, sondern in Abhängigkeit vom Verlauf einer mündlichen Verhandlung vorbehalten bleiben.
Der Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes ist sinnvoll, wenn der Streit der Eheleute sich im Wesentlichen auf die Frage beschränkt, in wessen Haushalt das Kind leben soll, ansonsten aber eine Verständigung in den wesentlichen, das Kind betreffenden Angelegenheiten möglich ist.
Rz. 26
Dies gilt auch, wenn die Eltern bis dahin ein sog. Wechselmodell praktiziert haben, dieses aber nicht mehr funktioniert, weil beispielsweise das "Konfliktpotential" der Eltern zu hoch ist. Ein Modell wechselnder Betreuung von Kindern oder dessen Fortbestand kann allerdings auch bei vorhandenem Streitpotential gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden.
Möglich und hilfreich kann auch die Erteilung von Vollmachten für einen Elternteil sein. Vollmachten können in streitigen Fällen dazu führen, gerichtlich von einer Sorgerechtsentscheidung nach § 1671 Abs. 1 BGB abzusehen.