Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 456
Die vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung berechtigt den Versicherer gemäß §§ 19 Abs. 2, 21 Abs. 1 VVG binnen Monatsfrist zum Rücktritt und führt nach § 21 Abs. 2 S. 1 VVG zur Leistungsfreiheit. Ausgeschlossen ist der Rücktritt allerdings, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er die Aufklärungsverpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat (§ 19 Abs. 3 S. 1 VVG). Im Gegensatz dazu ermöglichte das alte VVG den Rücktritt auch bei einfachem Verschulden (§ 16 Abs. 3 Alt. 2 VVG a.F.). Allerdings wurde auch schon nach altem Recht im Sinne der sog. Relevanz-Rechtsprechung ein erhebliches Verschulden gefordert.
a) Vorsatz des Versicherungsnehmers
Rz. 457
Fragt der Versicherer nach gefahrerheblichen Umständen und kennt der Versicherungsnehmer diese positiv, gibt sie aber nicht an, liegt in der Regel Vorsatz vor. Wer gesundheitliche Beschwerden und wiederholte Arztbesuche nicht offenbart, weiß, dass er mit dem Verschweigen Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers über den Abschluss einer BUV nimmt. Es genügt zudem ein bedingter Vorsatz des Versicherungsnehmers im Hinblick auf die Begehung einer Obliegenheitsverletzung dahingehend, dass der diese für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Jeder Versicherungsnehmer weiß, dass er weder mittelbar noch unmittelbar die Feststellungen des Versicherers erschweren darf, sondern ihn nach besten Kräften bei der Aufklärung unterstützen muss, daher ist auch Kenntnis der Obliegenheit als Verhaltensnorm gegeben.
Beispiel
Wird allgemein nach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen innerhalb der letzten fünf Jahre bzgl. bestimmter Bereiche gefragt, so ist daraus zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich der Versicherer ein möglichst umfassendes Bild über etwaig bestehende erhöhte Risiken verschaffen will. Hat der Versicherungsnehmer eine Frage fehlerhaft mit "nein" angekreuzt, obwohl er sie verstanden und die ärztlichen Diagnosen im Zeitraum der letzten fünf Jahre zum Zeitpunkt der Antragstellung in Erinnerung hatte, ist von Vorsatz auszugehen.
Rz. 458
Als Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts tritt nach § 21 Abs. 2 VVG für den eigetretenen Versicherungsfall Leistungsfreiheit ein. Für die Vergangenheit gezahlte Prämien sind nicht zurück zu gewähren, sondern lediglich zeitanteilig ab Wirksamwerden der Rücktrittserklärung (§ 39 Abs. 1 VVG). Sonstige Leistungen sind gemäß § 346 BGB rückabzuwickeln.
b) Ursächlichkeit und Kausalitätsgegenbeweis
Rz. 459
Hat der Versicherer gemäß § 19 Abs. 2 VVG nach Eintritt des Versicherungsfalls wirksam den Rücktritt erklärt, ist er nicht zur Leistung verpflichtet. Ausnahmsweise bleibt die Leistungsverpflichtung bestehen, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht sich auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war (§ 21 Abs. 2 S. 1 VVG). Der Versicherungsnehmer kann jedoch seinerseits nachweisen, dass die Nichtanzeige weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Diese Möglichkeit des Versicherten, eine abweichende Kausalität nachzuweisen, wird (negativer) Kausalitätsgegenbeweis genannt. Sofern die Kausalität ungeklärt bleibt, erfolgt eine Beweislastentscheidung.
Rz. 460
Vom Grundsatz liegt Kausalität i.S.d. § 21 Abs. 2 S. 1 VVG vor, wenn der nicht ordnungsgemäß angezeigte Umstand Einfluss auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls bzw. die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers hatte. In diesem Sinne genügt eine Mitursächlichkeit.
Hinweis
Es ist Sache des Versicherungsnehmers hinreichend substantiiert vorzutragen und unter Beweis stellen, dass Vorerkrankungen mit der späteren Berufsunfähigkeit nichts zu tun haben. Der Versicherungsnehmer muss darlegen und beweisen, dass seine Beschwerden für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht mitursächlich waren.
Rz. 461
Es ist ausreichend, dass der Versicherer bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände den Vertrag nicht zu den gegebenen Bedingungen abgeschlossen hätte. Auch nur indizielle Umstände können insofern mitursächlich sein. Werden stattgefundene medizinische Untersuchungen oder Behandlungen verschwiegen, so beruht auf diesen der Eintritt des Versicherungsfalls nicht unmittelbar. Umstände, die wie Beschwerden oder Krankenhausaufenthalte, lediglich auf eine tatsächliche Erkrankung hinweisen, gelten gleichwohl dann als ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls, wenn sie eindeutig zur Feststellung eines vertragserheblichen Zustands geführt haben würden und letzterer für den Versicherungsfall ursächlich war. Der Versicherungsnehmer muss in einem solchen Fall den Beweis mangelnder (Mit-)Kausalität führen.
Beispiel
Wird etwa beim Versicherungsn...