Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 76
Die entsprechenden Feststellungen der medizinischen Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit sind im Streitfall regelmäßig von einem gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen zu treffen, dem die konkrete Ausgestaltung des vom Versicherten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles ausgeübten Berufes und die sich aus dieser Berufsausübung ergebenden Anforderungen als Grundlage für die Gutachtenerstattung vorzugeben sind (vgl. auch Rdn 47).
Rz. 77
Dem medizinischen Sachverständigen obliegt es, die Krankheit, die Körperverletzung oder den Kräfteverfall festzustellen und ihre voraussichtlich dauernden Auswirkungen auf den Beruf oder die Verweisungstätigkeit zu beurteilen. Der ärztliche Gutachter muss dabei feststellen, ob die vom Versicherten behaupteten Beschwerden bzw. körperlich/geistigen Funktionseinbußen objektiv nachweisbar sind.
Hinweis
Das Gericht hat dem medizinischen Sachverständigen konkrete Vorgaben zu machen. Ein bloßer Hinweis auf das typische Berufsbild, z.B. eines Kfz-Mechanikers, eines Verwaltungsfachangestellten, eines Programmierers oder eines Tankwartes, genügt nicht.
Rz. 78
Ohne Vorgabe der vom Versicherungsnehmer zuletzt konkret ausgeübten Berufstätigkeit nach Art und Umfang, Intensität und Dauer unter Hervorhebung der sie prägenden wesentlichen Einzelverrichtungen ist die medizinische Begutachtung regelmäßig wertlos. Daher ist bei Vertretung des Versicherten unbedingt auf einen eigenen hinreichenden Sachvortrag zu achten und darauf, dass der Beweisbeschluss zielführend formuliert wird.
Da Sachverständige häufig auch in sozialgerichtlichen Verfahren tätig sind, sollte außerdem routinemäßig durch das Gericht bei der Beauftragung erläutert werden, dass die Berufsunfähigkeit nicht mit Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gleichgesetzt werden darf, siehe auch Rdn 6.
Rz. 79
Spätestens mit Absetzung des Beweisbeschlusses sollte das Gericht den Parteien aufgeben, sämtliche ärztlichen Unterlagen und Befunde (z.B. Röntgenbilder) im Original vorzulegen, die die Angelegenheit des Versicherten betreffen. Wird der Versicherte vertreten, sollten die erforderlichen Unterlagen unaufgefordert zur Gerichtsakte gereicht werden. Verfahrensfehlerhaft ist es, falls das Gericht es dem Sachverständigen überlässt, die Dokumentation von Behandlern oder von in anderweitigen Verfahren tätigen Gutachtern von sich aus beizuziehen bzw. Kontakt zu anderen Ärzten oder gar zum Versicherten, der zudem in der Regel Partei des Verfahrens ist, aufzunehmen, um bestimmte Punkte zu klären. Diese Verfahrensweise verstößt gegen § 404a ZPO und gleichfalls gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gemäß § 355 ZPO. Außerdem könnte sich der Sachverständige dem Verdacht der Befangenheit aussetzen, wenn er einseitig mit einer Partei kommuniziert. Eine ggf. erforderliche eigene Untersuchung des Versicherten darf aber natürlich nach allgemeinen Regeln stattfinden.