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Gewerbliche Prozessfinanzierung in Deutschland gibt es seit Ende der 90er-Jahre. Dabei übernehmen die gewerblichen Prozessfinanzierer sämtliche im Rahmen eines Rechtsstreites anfallenden Kosten, sodass für den prozessführenden Mandanten kein Kostenrisiko verbleibt. Für diese Entlastung von jeglichem Kostenrisiko bezahlt der Mandant mit einer Erfolgsbeteiligung. Diese liegt derzeit marktüblich bis zu einem Betrag von 500.000 EUR bei 30 % und für den über 500.000 EUR hinausgehenden Betrag bei 20 %. Die gewerblichen Prozessfinanzierer schießen bis zum Ende des Prozesses Gerichts-/Anwalts-/Sachverständigenkosten etc. vor. Von dem Bruttoertrag des Gerichtsverfahrens, der aus zugesprochener Hauptsache und Nebenforderungen (Zinsen) und Kostenerstattung besteht, erhält der Prozessfinanzierer zunächst die verauslagten Kosten zurück. Der verbleibende Nettoertrag des Gerichtsverfahrens wird dann quotal zwischen den Parteien je nach der Höhe der vereinbarten Erlösbeteiligung verteilt. Der Prozessfinanzierer übernimmt nicht nur das Kostenrisiko und damit die volle Gefahr, dass der zu finanzierende Anspruch auf dem Gerichtswege nicht durchzusetzen ist, sondern er übernimmt auch das volle Vollstreckungsrisiko. Lassen sich die titulierten Forderungen beim Gegner nicht beitreiben, hat somit der Prozessfinanzierer und nicht der Mandant den Verlust der verauslagten Kosten zu verbuchen.

Aufgrund der beiden vorgenannten Risiken wird der Prozessfinanzierer einen Fall nur dann zur Finanzierung annehmen, wenn er vom Anwalt überzeugt werden kann, dass a) überwiegende Erfolgsaussichten dafür bestehen, dass ein mit der Sache befasstes Gericht den geltend gemachten Anspruch zusprechen und b) dass der Gegner auch in der Lage und willens sein wird, etwaige titulierte Beträge auch zu bezahlen, diese aber spätestens im Wege der Zwangsvollstreckung mit realistischem Aufwand beigetrieben werden können. Hinzukommt, dass die meisten gewerblichen Prozessfinanzierer erst ab einem Mindeststreitwert von 50.000 EUR oder mehr ihre Dienste anbieten. Dabei verstehen sich die meisten Prozessfinanzierer nicht als reine Geldgeber. Schon aus Gründen der Risikominimierung und des Risikomanagements sind die als Wirtschaftsunternehmen handelnden Prozessfinanzierer gehalten, den Verlauf der von ihnen finanzierten Prozesse ständig zu beobachten und gegebenenfalls steuernd einzugreifen, wobei ihnen oftmals weitreichende Rücktrittsrechte zur Seite stehen. Dem Anwalt kann aus dieser Begleitung durch den Prozessfinanzierer ein Vorteil erwachsen, indem er das prozessuale und materiellrechtliche Know-how des Prozessfinanzierers zum Nutzen seines Mandanten gewinnbringend einsetzen kann.

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