Rz. 9

Darüber hinaus hat die staatliche PKH auch nicht zu vernachlässigende Nachteile für den Anwalt. Zum einen sind nach § 49 RVG die Gebührenansprüche des beigeordneten Anwalts gegen seinen Mandanten ab einem Gegenstandswert über 30.000 EUR auf 447 EUR netto je Gebühr gedeckelt. Das soll laut Bundesverfassungsgericht auch bei extrem hohem Streitwert verfassungsgemäß sein.[7] Dies gilt selbst dann, wenn die Partei nachträglich, insbesondere auch durch den Prozessgewinn, in die Lage versetzt wird, die volle Rechtsanwaltsvergütung aufzubringen. Das bedeutet, dass der Anwalt auch bei einem Streitwert von 1.000.000 EUR nur dieselben Gebühren liquidieren kann wie bei einem Streitwert von 30.000 EUR. Dafür mutet der Gesetzgeber dem Anwalt auch in diesen Fällen das volle Haftungsrisiko zu.

Damit bestehen im Bereich der Prozesskostenhilfe für den Anwalt zwei gravierende Nachteile und dies bei vollem Haftungsrisiko. Der Anwalt, der auch als wirtschaftlich denkender Unternehmer am Rechtsverkehr teilnimmt, kann im Regelfalle daher eine Prozessvertretung auf Basis von PKH nicht als wirtschaftlich sinnvoll erachten. In den Zeiten leerer Kassen hier auf eine Verbesserung seitens des Gesetzgebers zu hoffen, dürfte sich als illusorisch erweisen.

 

Rz. 10

Dagegen kann nicht eingewandt werden, im Obsiegensfalle würde der Anwalt sein Honorar, berechnet nach der vollen Gebührenhöhe, vom Gegner erhalten (§ 126 Abs. 1 ZPO). Diesen Gebührenanspruch kann der Anwalt nämlich nur dann realisieren, wenn die Gegenpartei im Obsiegensfalle freiwillig oder im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem obsiegenden Urteile tatsächlich auch zahlt. Anders ausgedrückt: Der Rechtsanwalt kann seine vollen Gebühren daher in den Fällen der Prozesskostenhilfe nur dann erhalten, wenn a) er den Prozess für seine Partei gewinnt und b) seine Gebühren vom Gegner auch beigetrieben werden können. Damit handelt es sich hierbei um einen gesetzlich geregelten Fall des Erfolgshonorars.[8]

 

Rz. 11

Wurde eine PKH mit Ratenzahlung bewilligt, so kann der Rechtsanwalt die Differenz zwischen PKH-Gebühren und Wahlanwaltsgebühren aus der Staatskasse möglicherweise nach § 50 RVG liquidieren, dies aber auch wieder nur, falls die Höhe der Raten dies erlaubt. Die Anzahl der Raten ist auf 48 beschränkt, auch wenn der Rechtsstreit über mehrere Instanzen geführt wurde, vgl. § 115 Abs. 2 ZPO. Bei einer Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei kann auf Antrag gem. § 120 Abs. 4 ZPO auch für den Fall der Realisierung der mit PKH eingeklagten Forderung noch nach Abschluss des Rechtsstreites eine Änderung des PKH-Bewilligungsbeschlusses erfolgen.[9]

 

Rz. 12

 

Hinweis

Der Anwalt, der zunächst für seinen Mandanten versucht PKH zu erlangen, um im Falle der Ablehnung die Angelegenheit dann doch noch einem Prozessfinanzierer anzutragen, vergibt möglicherweise durch diese Vorgehensart die Chancen seines Mandanten auf den Abschluss eines Prozessfinanzierungsvertrages. Lehnt das Gericht, womöglich auf Beschwerde hin auch noch das Beschwerdegericht, den Antrag auf Gewährung von PKH mangels Erfolgsaussichten ab, so wird sich der Anwalt entsprechend schwer tun, einem Finanzierer den Fall als überwiegend erfolgversprechend darzustellen. Schließlich wird der Fall im Regelfall vor demselben Gericht, wenn nicht gar vor derselben Kammer entschieden werden. Gefährlich ist diese Vorgehensweise zudem und vor allem deshalb, weil die Gerichte erfahrungsgemäß im Rahmen der Prüfung der PKH mehr als zurückhaltend verfahren und die Prüfung der rechtlichen Fragen oftmals nicht mit der gebührenden Tiefe vorgenommen wird. Erreicht der Anwalt hingegen die Gewährung von PKH, wird er sich entsprechend schwer tun, gegenüber seinem Mandanten die Idee der Prozessfinanzierung ins Spiel zu bringen. Besser und empfehlenswert ist es hingegen, über ein PKH-Verfahren die Argumente der Gegenseite auszuforschen und auf dieser Grundlage beim Prozessfinanzierer anzufragen.

[7] So BVerfG, Beschl. v. 31.10.2007 – 1 BvR 574/07, AnwBl 2008, 75.
[8] Henke, AnwBl 2008, 134.
[9] OLG Hamm FamRZ 1993, 1474; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1592.

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