A. Unterschiedliche ARB
Rz. 1
Rechtsschutzverträgen liegen jeweils allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) zugrunde. Bis zur Liberalisierung des Versicherungsmarktes im Jahre 1995 waren die Rechtsschutzbedingungen für alle Versicherer gleich, jetzt sind sie in der Gestaltung ihrer ARB jedoch frei.
Rz. 2
Zwischenzeitlich hat fast jede Gesellschaft ihre eigenen ARB. Es kommt hinzu, dass bei dem gleichen Rechtsschutzversicherer jeweils unterschiedliche Bedingungswerke gelten können, denn neue ARB gelten für Altverträge nicht automatisch; ihre Geltung muss vielmehr ausdrücklich vereinbart werden, andernfalls gelten die alten ARB fort. Im Laufe der Jahre gab es nun eine Reihe von unterschiedlichen Bedingungswerken, die älteren liegen nur noch wenigen Verträgen zugrunde, die ARB 1975 oder die von 1994 gelten für manche Verträge jedoch noch heute. Die neueren Bedingungswerke datieren von 2010, 2012 bzw. 2018.
Rz. 3
Achtung
Der Anwalt muss sich nicht nur vergewissern, welche ARB dem jeweiligen Rechtsschutzvertrag zugrunde liegen, er muss sich darüber hinaus auch die bei den verschiedenen Rechtsschutzversicherern unterschiedlichen Tarifbedingungen anschauen, da dort teilweise Leistungserweiterungen enthalten sind.
Rz. 4
Unterschiede der jeweiligen ARB: In den maßgeblichen Punkten ähneln sich die Bedingungen aller Gesellschaften, die verschiedenen, insbesondere die älteren, Jahrgänge der ARB bieten dem Versicherungsnehmer jedoch unterschiedliche Leistungen, wobei die älteren (und ohne vertragliche Änderung noch heute geltenden) ARB sich von den jüngeren im Wesentlichen in folgenden Punkten unterscheiden:
I. Halt- und Parkverstöße
Rz. 5
Die ARB 1975 gewähren dem Versicherungsnehmer vorläufigen Deckungsschutz auch gegen den Vorwurf eines Halt- oder Parkverstoßes. Der Deckungsschutz entfällt erst, wenn das Verfahren mit einer Halter-/Kostenentscheidung nach § 25a StVG endet.
Rz. 6
Achtung
Will sich der Betroffene allerdings gegen einen wegen eines Halt- oder Parkverstoßes gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid mit grundsätzlichen Einwendungen zur Wehr setzen, muss ihn der Rechtsschutzversicherer selbst dann von den Kosten der Verteidigung freihalten, wenn es sich nur um ein geringfügiges Bußgeld gehandelt hatte (AG Saarbrücken MittBl 1997, 78), sofern das Verfahren nicht mit einer Halter-/Kostenentscheidung endet. Von einer Mutwilligkeit kann selbst bei einem Missverhältnis zwischen Bußgeld- und Verteidigerkosten keine Rede sein (AG Stuttgart NZV 2003, 429; AG Darmstadt zfs 2003, 466).
Rz. 7
Die neueren ARB schließen dagegen solche Verstöße unabhängig vom Ausgang des Verfahrens grundsätzlich vom Deckungsschutz aus.
II. Vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten
Rz. 8
Deckungsschutz für die Verteidigung wegen im Straßenverkehr begangener Ordnungswidrigkeiten, also auch für vorsätzlich begangene, besteht nach allen ARB.
Rz. 9
Unterschiede ergeben sich im Fall von vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeiten, die nicht dem Straßenverkehr zuzuordnen sind (z.B. ruhestörender Lärm). Für solche Ordnungswidrigkeiten gewähren, anders als die ARB 1994, alle neueren ARB Deckungsschutz.
III. Keine Prüfung der Erfolgsaussicht
Rz. 10
Achtung
Dem Rechtsschutzversicherer ist in Straf- und Ordnungswidrigkeiten eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Interessenwahrnehmung des VN versagt.
Das muss auch und vor allem für die Prüfung einzelner Verteidigungsmaßnahmen gelten, wie sich zumindest mittelbar aus § 18 Abs. 1 ARB ergibt, der die Verteidigung nach § 2 lit. j ARB ausdrücklich vom Stichentscheid ausnimmt.
IV. Prüfung der Erfolgsaussichten bei Rechtsbeschwerde oder Revision
Rz. 11
Im Gegensatz zu den jüngeren ARB geben die für manche Verträge immer noch geltenden ARB 1975 Deckungsschutz für Revision und Rechtsbeschwerde nur, wenn der Beschwerdeführer die Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels nachweist. Wie schwierig das ist, mag den Ausführungen zur Zulassungsrechtsbeschwerde entnommen werden (siehe § 34 Rdn 13 ff.).
Rz. 12
Eine solche Prüfung der Erfolgsaussicht kennen dagegen die neueren Bedingungswerke nicht mehr.
B. Eintritt des Versicherungsfalles
Rz. 13
Streit besteht häufig bezüglich des die Deckungspflicht auslösenden Eintritts des Versicherungsfalls. Im OWi- bzw. Strafrecht ist ein Versicherungsfall erst dann eingetreten, wenn dem Versicherungsnehmer von der ermittelnden Behörde konkret ein Vorwurf gemacht wird.
Das ist dann noch nicht der Fall, wenn er zwar der verantwortliche Fahrer war, aber einem Dritten (in der Regel dem Halter) ein Anhörungsbogen zugestellt wird bzw. ihm selbst lediglich ein Zeugenfragebogen zugeschickt wird.
Rz. 14
Allerdings ist ein Deckungsschutz auslösender Versicherungsfall bereits dann eingetreten, wenn die Polizei einen Unfall aufnimmt und eine Verkehrsunfallanzeige fertigt, in der zwar der Gegner als "01" bezeichnet wird, dieser aber mit seiner Unfalldarstellung dem Versicherungsnehmer eine (Mit-)Schuld zuweist (AG Köln zfs 2004, 529)."
Achtung: Verwaltungsmaßnahmen aufgrund des Punktestandes
Da der Versicherungsfall bereits durch den ersten Punkteintrag eintritt, besteht Deckungsschutz für aufgrund des Punktekatalogs von der Verwaltung ergriffene Maßnahmen nur dann, wenn der Versicherungsvertrag berei...